Möchten Sie wissen, warum sich Apotheker*innen und Naturwissenschaftler*innen dazu entschlossen haben, in Pharmaziegeschichte zu promovieren?
Das waren die Q & A, die in den vergangenen 66 Jahren viele Menschen überzeugt haben. Diese Menschen wurden von Wolfgang Schneider, Erika Hickel und Bettina Wahrig auf ihrem schwierigen Weg zu einer häufigt selbst finanzierten Promotion begleitet..
"Nutzloses" Fach - aber viele Interessent*innen - warum?
Wer...
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... neben dem pharmazeutischen Alltag einen Blick über den Tellerand wagen wollte...
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... wissen wollte, wie Kultur und Wissenschaft miteinander verzahnt sind...
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... am historischen Beispiel erforschen wollte, wie wissenschaftliches Wissen "funktioniert"...
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... ganz allgemein neben den naturwissenschaftlichen auch geistes- und/oder sozialwissenschaftliche Interessen hatte
... konnte in dieser Abteilung einen Dr. rer. nat. erwerben, und das fanden sehr viele auch interessant! Bettina Wahrig hat bis jetzt 36 Promotionsthemen betreut, davon die allermeisten in der Fakultät für Lebenswissenschaften. Damit hat sie die Tradition ihrer Vorgängerin und ihres Vorgängers fortgesetzt. Die veröffentlichten Dissertationen seit 1958 sind zumeist im Deutschen Apothekerverlag in der Reihe "Braunschweiger Veröffentlichungen zur Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte" erschienen, die insgesamt über 60 Bände verzeichnet
Ist es nutzlos, in der Pharmazie etwas anderes als den Weg zu neuen Arzneimitteln zu erforschen?
Auch naturwissenschaftliche Forschung wird nicht immer betrieben, weil den Forschenden ein bestimmter Nutzen, eine bestimmte mögliche Anwendung vor Augen steht. Grundlagenforschung - Forschung aus Neugier - ist in allen Fächern notwendig. Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte ist aber vor allem ein reflektierendes Fach, das Brücken zwischen den Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften baut. In einer Welt, in der über bestimmte Technologien und über die notwendigen Maßnahmen in Zeiten von Klimakrise, Artenschwund und zunehmender globaler Ungleichheit gestritten wird - also darüber, wo und welche Wissenschaften mit welchem Wissen hier weiterhelfen können, ist ein solches reflektierendes, Brücken bauendes Fach mehr als je notwendig.
Die Arbeit an einem pharmazie- oder wissenschaftshistorischen Thema vermittelt Fähigkeiten, die im naturwissenschaftlichen Studium sonst wenig entwickelt werden können: Man lernt, mit Texten kritisch und produktiv umzugehen, selbst zu schreiben, zu argumentieren, einen Sachverhalt angemessen und fachlich darzustellen. Dass es gerade auch in der Pharmazie sehr viele Menschen gibt, denen es wichtig ist, darüber nachzudenken, wie sie mit ihrem vorwiegend naturwissnschaftlichen Wissen zu Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Demokratie beitragen können, beweist die große Zahl der Promovierenden und auch der Anfragen an mich und andere Stellen, an denen eine interdisziplinäre Arbeit möglich ist.
Promotionsvorbereitungsprogramm 1998 - 2024 (kurz PROVOK = Promotionsvorbereitende Kurse, davor Aufbaustudium Pharmaziegeschichte, aus terminologischen Gründen umbenannt)
Vor und während der Promotion waren mindestens dreizehn Semesterwochenstunden (SWS) an Seminaren und Vorlesungen zu besuchen. Als Leistungsnachweise waren zwei Mini-Hausarbeiten, zwei Kurzreferate, eine Literaturrecherche und eine längere Hausarbeit zu erbringen. Bis auf das erste Semester fanden die Lehrveranstaltungen i.d. R. blockweise an Wochenenden statt, waren zeitlich flexibel zu absolvieren und flexibel mit den Leistungsnachweisen zu kombinieren. Alles in allem erwarben die Doktorand:innen damit 15 ECTS (Credit Points).
Außerdem musste jede*r Promovend*in nach Festlegung des Themas dieses regelmäßig im Doktorand*innenkolloquium (siehe unten) vorstellen.
Nach jedem Semester (nach Erhalt der Scheine) wurden die erbrachten Leistungen der Abteilung mitgeteilt.
Die Teilnahme am Programm wurde semesterweise durch einen Antrag auf Gasthörerschaft ermöglicht.
Das waren in etwa die zeitliche Strukturierung und der zeitlicher Aufwand, wobei wir dies sehr flexibel gehandhabt haben:
Erklärung: 1 SWS = 1 Semesterwochenstunde = 1 Lehrstunde pro Woche bzw. zusammengenommen 15 Stunden oder 10 Zeitstunden
1 ECTS is i.A. 1 SWS und bedeutet einen Zeitaufwand von 30 Stunden (Präsenz und Selbstarbeit zusammengenommen). Im Folgenden sind die ECTS angegeben. Wenn nicht anders vermerkt, bedeutet 1 ECTS eine Präsenz von 15 Stunden und weiteren zeitlichen Aufwand von 15 Stunden. Bei den Blockseminaren heißt das: 1 Wochendende (Fr./Sa.) = 1 SWS.
Das Kursprogramm gliederte sich in drei Phasen:
Phase 1 (Dauer: Ein bis zwei Semester): Kompakte Einführung mit großem Blockseminar, Grundwissen, Methoden: 5 ECTS
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Beginn i. d. R. im Anschluss an das Sommersemester. 4 ECTS Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten durch die Teilnahme am großen Blockseminar Pharmaziegeschichte: einwöchige Blockveranstaltung, i.d.R. zu Beginn der vorlesungsfreien Zeit. Die Veranstaltung bestand aus einem Seminarteil mit einer Einführung in die Arbeitsmethoden der Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte und einem Rechercheteil, in dem die bisherige Forschungsliteratur zu einem vorher festgelegten Thema bearbeitet wird. Dabei wurden aufgrund von Quellenmaterial aus Bibliotheken und /oder Archiven neue Erkenntnisse erarbeitet. In der Woche danach wurde eine kurze Hausarbeit erstellt.
Phase 2 (Dauer: Ein bis zwei Semester, Phase 1 und 2 zusammen aber nicht mehr als 4 Semester!): Thematische Orientierung; Anwendung der Arbeitsmethoden: 10 ECTS.
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7 ECTS Seminare oder Vorlesungen (Anzahl und Thema der Veranstaltungen frei wählbar; eines der Seminare ist jedoch ein Methodenseminar) + 3 ECTS Hausarbeiten. Es mussten drei Studienleistungen erbracht werden, und zwar zwei Kurzreferate und eine rHausarbeit. Weiterhin fiel eine selbstständige Literaturrecherche an.
Phase 3: Einstieg in das Promotionsthema, 3 ECTS: Themenfindung und Erstellung einer längeren Hausarbeit zum gewünschten Promotionsthema.
Ziel der Phase war die Themenfindung für die Promotion. Auf der Suche nach einem Thema der Promotion und der großen Hausarbeit konnte das Doktoranden-/Doktorandinnenkolloquium bereits besucht werden.
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Doktorand:innenkolloquium. Diese Veranstaltung fand jedes Semester im Block statt. Da einige Arbeiten noch im Werden sind, gilt dies nach wie vor. Das Kolloquium bot Gelegenheit, durch Kennenlernen anderer Projekte Hilfe bei der Themenfindung für die Promotion zu erhalten und Methodenkenntnisse zu vertiefen. Nach der Festlegung des Themas bestad die Möglichkeit, die eigene Arbeit zu diskutieren und sich weiter mit anderen Doktorandinnen auszutauschen. Nach Abschluss von Phase 3 war der regelmäßige Besuch Pflicht.
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Zusätzlich wurde die Gelegenheit zum Besuch des Journal-Club geboten, der von den Studierenden selbst organisiert und von Postdocs moderiert wurde.
Promotion
Nach Beendigung des Vorbereitungsprogramms und der Vereinbarung eines Promotionsthemas konnte man sich zur Promotion anmelden. Die Anforderungen des Strukturieren Promotions-Programms der TU (Grad-TUBS) konnten durch Absolvieren unseres Vorbereitungsprogramms i.d.R. erfüllt werden.