DFG-Forschungsprojekt im Rahmen des deutsch-französischen Programms in den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Das Projekt soll neue Einblicke in die Entwicklung der Zelltheorie im 19. Jahrhundert eröffnen. Ein Teilprojekt untersucht die Vorgeschichte zentraler Kategorien der Zelltheorie (Individuum, Universalität, die Analogie Organismus/Gesellschaft) zwischen 1800 und 1839 aus einer deutsch-französischen Perspektive. Das zweite Teilprojekt wird die Rezeption der Zelltheorie in Frankreich zwischen 1838 und 1900 anhand der lokalen Fallbeispiele Straßburg und Paris thematisieren, wobei den Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Wissensfeldern - Botanik, Physiologie, Medizin, Soziologie - besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Das Gesamtprojekt stellt damit die Frage nach den vielfältigen Verflechtungen zwischen Zelltheorie und politischem Kontext in den Mittelpunkt. Diese sollen als wechselseitiger Prozess betrachtet werden, durch welchen im 19. Jahrhundert gleichzeitig neue Vorstellungen von der Ordnung der Natur und der Politik hervorgebracht wurden.
Die deutsch-französische Zusammenarbeit wird es durch transnationale und transdisziplinäre Vergleiche ermöglichen, Unterschiede und Übereinstimmungen zwischen verschiedenen politisch-philosophischen Konzepten, epistemischen Motiven sowie Forschungsansätzen und -praktiken zu verdeutlichen, die die Entstehung und Weiterentwicklung der Zelltheorie prägten. Der vergleichende Ansatz soll nicht zuletzt auch den Dialog zwischen Wissenschaftshistorikern beider Länder fördern. (Projekttlaufzeit: Juli 2013-Juli 2016)
Antragstellerinnen:
Dr. Florence Vienne Wissenschaftliche Mitarbeiterin Abteilung für Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte der TU Braunschweig Beethovenstr.55 38106 Braunschweig
Dr. Marion Thomas Maître de conférences en histoire des sciences de la vie et de la santé Université de Strasbourg Faculté de médecine Département d'histoire et de philosophie des sciences de la vie et de la santé (DHVS) SAGE (Sociétés, Acteurs, Gouvernement en Europe)
Beteiligte Wissenschaftler:
Dr. Laurent Loison Post-doctorant, projet ANR POLCELL Département d'histoire et de philosophie des sciences de la vie et de la santé (DHVS) SAGE (Sociétés, Acteurs, Gouvernement en Europe)
Pr. Dr. Christian Bonah Professeur en histoire des sciences de la vie et de la santé Université de Strasbourg Faculté de médecine Département d'histoire et de philosophie des sciences de la vie et de la santé (DHVS) SAGE (Sociétés, Acteurs, Gouvernement en Europe)
Pr. Dr. Thierry Hoquet Professeur de philosophie des sciences Université Jean Moulin-Lyon3 Faculté de philosophie Institut de Recherches Philosophiques de Lyon
Pr. Dr. Stéphane Tirard Professeur d'épistémologie et d'histoire des sciences Université de Nantes Faculté des sciences et des techniques Centre François Viète d'histoire des sciences et des techniques
Bearbeiterin: Eileen Kwiecinski, M.A., Laura Beckmann, B.Sc. (Projektlaufzeit: 16.05.2012-15.05.2014)
Um die Zusammenhänge zwischen Sexismus und sexualisierter Gewalt auf der einen Seite und einem fortdauernden Geschlechterbias in den bislang männlich dominierten Fächern auf der anderen Seite genauer aufzuzeigen und erfolgreiche Strategien gegen Sexismus und sexuelle Übergriffe zu entwickeln, braucht es ein vertieftes Wissen. Die beiden an der TU Braunschweig durchgeführten Fragebogenaktionen geben zwar Hinweise auf besonders gefährdete Gebäude und Wegstrecken auf dem Campus, wie aber präventativ vorgegangen und die Sicherheitskultur geschlechtersensibel gestaltet werden kann, muss erst noch erforscht werden.
Dieses Wissen soll das Forschungsprojekt bereitstellen, indem es die bisherigen empirischen Untersuchungen zu diesem Thema genauer auswertet und in einem breiteren Forschungskontext darstellt. Unternommen werden sollen eine vertiefte methodische Ausweitung, weitere Befragungen, die Durchführung eines Workshops i.S. eines Expert/innengesprächs und die Darstellung des Forschungsstands mit Best-Practice-Beispielen. Ziel ist es, wissenschaftlich gesichtertes Wissen für eine verbesserte Organisationskultur, für Studium, Lehre und Forschung in dieser Hinsicht bereitzustellen.
Auf den vergangenen Kongressen der Division of History of Science of the International Union of History and Philosophy of Science (DHST/IUHPS) wurden regelmäßig Forschungsberichte zur Lage und zu den aktuellen Ergebnissen der deutschen Wissenschaftsgeschichte vorgelegt, bis 2005 in Print-Form, ab 2009 in Form einer CD. Die letzten beiden Berichte sind auch im Internet einsehbar. Der Vierjahresbericht der deutschen Wissenschaftsgeschichte dient dem Zweck, die Wissenschaftsgeschichte im weiteren Sinn (eingeschlossen Medizin- und Technikgeschichte, aber auch diejenigen Arbeiten zur Geschichte der Sozial- und Geisteswissenschaften, die mit vergleichbaren Methoden arbeiten) international bekannt zu machen. Zum letzten internationalen Kongress 2009 wurde die Forschungsdokumentation erstmals auf der Basis einer webbasierten Plattform vorgelegt. Die für die Erstellung der Bibliographie benutzte Plattform lit.wisstecmed.de/detail.php existiert weiter und wird auch zu Recherchen sowie Eingaben eingesetzt. Es ist jedoch notwendig, neue Forschungsinstitutionen oder neu eingerichtete Lehrstühle in die Dokumentation einzubeziehen sowie allgemein eine neue, aktuelle Übersicht über die im Bereich Wissenschafts-, Technik- und Medizingeschichte aktiven Forschungseinrichtungen zu erstellen. Dieser Bericht auf der Basis einer regionalen Forschungsdatenbank und eines regionalen bzw. nationalen Forschungsberichts ist nach wie vor sinnvoll, um auf die Leistungen der hiesigen Wissenschaftsgeschichte hinzuweisen, aber noch mehr, um ihre internationale Vernetzung und Sichtbarkeit weiter voranzutreiben. Das Projekt im Auftrag des deutschen Nationalkomitees der Division of History of Science of the International Union of History and Philosophy of Science wird finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Forschungsdatenbank ist in Braunschweig angesiedelt und wird von der Bibliothek der Technischen Universität Braunschweig unterstützt.
Bearbeiterteam: Prof. Dr. Bettina Wahrig, Dr. Florence Vienne, Dr. Axel Hüntelmann, Dr. Michi Knecht, Dr. Christina Brandt, Dr. Bettina Bock von Wülfingen (Projektlaufzeit: 01.12.2009-30.11.2013)
In den letzten 250 Jahren hat sich das Verständnis von Zeugung, Fortpflanzung und Geburt, aber auch von Abstammung, Vererbung und Verwandtschaft in grundlegender Weise verändert. Die gegenwärtige Reproduktionsmedizin zeigt erneut eine Umbruchphase an, in der diese Kategorien eine Neudeutung erfahren. Ein Charakteristikum dieser Entwicklungen sind die immer enger werdenden Verflechtungen zwischen Labor und Klinik, pharmazeutischem Unternehmen und Börse. Stammzellen, Embryonen und Gameten sidn heute nicht nur - ethisch umstrittenene - biomedizinische Forschungsobjekte, sondern sie sind auch zum Gegenstand wirtschaftlicher Interessen geworden. Die Beziehungen zwischen Ökonomie und Reproduktion im Feld der Lebenswissenschaften (Biologie und Medizin) in ihren historischen und aktuellen Dimensionen sind das Thema des geplanten wissenschaftlichen Netzwerkes, das sich aus 15 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Nationalitäten und Disziplinen zusammensetzt.
Insbesondere soll der Austausch zwischen sozial- und kulturwissenschaftlichen, gesundheitswissenschaftlichen sowie wissenschafts- und medizinhistorischen Ansätzen gefördert werden. Zentrales Anliegen ist ein Vergleich der methodologischen und theoretischen Perspektiven sowie eine Identifizierung der Forschungsdesiderate in den jeweiligen Disziplinen. Darüber hinaus zielt das Netzwerk darauf, mögliche Forschungslinien für eine longue-durée-Geschichte der Reproduktion und deren Beziehungen zur Ökonomie zu entwickeln. Angestrebtes Ergebnis ist die Publikation eines peer-reviewten, englischsprachigen Zeitschriftenheftes.
Bearbeiterin: Dr. Florence Vienne DFG gefördertes Projekt, 2009-2012
Das Projekt verfolgt mit einem begriffshistorischen sowie praxisbezogenen Ansatz die Geschichte des Spermas vom späten 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Anhand dieses bislang wenig beachteten Schlüsselobjekts der Biologie und Medizin lässt sich nicht nur die Entstehung des modernen Verständnisses von Zeugung und Vererbung betrachten; es ergeben sich damit auch neue Perspektiven auf wesentliche kulturelle und politische Veränderungen der Moderne, insbesondere hinsichtlich der Deutung des Geschlechterverhältnisses. Im ersten Teil des Projekts wird die Entstehung der "modernen" Vorstellung des Spermas in der Biologie verfolgt. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wandelten sich die Spermatozoen von "Parasiten" des Samens schrittweise zu Keimzellen und Trägern der väterlichen Vererbungsmaterie. Der zweite Projektteil beschreibt die Entwicklung medizinischer Versuche und Verfahren, die zwischen den 1880er Jahren und 1945 die Befruchtungsfähigkeit von Spermatozoen zum Gegenstand hatten. Dabei wird insbesondere der Einfluss der Eugenik und der Biopolitik des NS-Regimes untersucht. Anhand der auf die Samenzellen bezogenen Forschungen soll gezeigt werden, wie sich die Techniken zur Manipulation der Fortpflanzung herausbildeten, die schließlich zur grundlage der heutigen Reproduktionsmedizin wurden.
This project traces the history of sperm as a key object of today's reproductive biology and medicine from the end of the 18th century to the mid 20th century. Whereas most naturalists of the 18th century considered sperms to be microscopic animals and parasites of the human body, physiologists of the 19th century gradually redefined them as cellular products of the male organism, as agents of fertilization and bearers of the male hereditary material. It will be analyzed how this change came about and how it was related to the emergence of new understandings of procreation, of heredity, of the gendered body and finally of the concept of "life" itself. In the 20th century the transformations mentioned above gave rise to a new type of medical and biopolitical practices involving technologies for manipulating (male) reproduction at the cellular level. A particular focus of this study is to investigate the impact of eugenics and the Nazi population policy in the development of first sperm technologies like the "spermiogram" or the cryopreservation of human semen. One of my major claims is that contemporary objects and practices of reproductive medicine have a much longer and more multifaceted history then usually assumed - a history that has to be related to major scientific, cultural and political development of the modern era.Zeitschriftenheftes.
Bearbeiter: Dr. Heiko Stoff (Projektlaufzeit: 1.10.2008-30.9.2010)
In diesem Forschungsvorhaben sollen jene Zusammenhänge analysiert werden, welche die Geschichte "prekärer Stoffe" mit der Konstituierung des "kritischen Verbrauchers" zwischen 1950 und 1970 verbinden. Lebensmittelzusätze werden seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im größeren Maßstab hergestellt und zur Produktion haltbarer und attraktiver warenförmiger Nahrungsmittel verwendet. Konservierungs- und Fremdstoffe werden in diesem Projekt als "prekäre Stoffe" bezeichnet, weil ihre im Produktionsprozess bewiesene spezifische Leistungsfähigkeit grundsätzlich an die autonome Fähigkeit zur cancerogenen und toxischen Wirkung gebunden zu sein scheint. Die Lebensmittelchemie ist damit befasst, diese prekären Stoffe zugleich zu produzieren, zu aktivieren und zu regulieren. Lebensmittel sind aber ebenso das Medium eines biopolitisch optimierenden Zugriffs auf den menschlichen Körper und dabei eingebunden in einen Diskurs über "natürliche" und "künstliche" Stoffe, über "reine" und "kontaminierte" Nahrung, über "Vital-" und "Fremdstoffe". Es soll anhand umfangreichen Quellenmaterials und im internationalen Vergleich mit den USA und der EWG herausgearbeitet werden, wie sich die Risikopolitik der fünfziger und sechziger Jahre im Widerstreit dieses Reinheitsdiskurses mit der industriellen Produktion prekärer Stoff vollzog. Von besonderem Interesse ist dabei der Zusammenhang zwischen der Aushandlung des 1958 novellierten Lebensmittelgesetzes durch die Interessenvertreter von Staat, Industrie und Wissenschaft namentlich in den DFG-Senatskommissionen mit lebensmittelhygienischer Zielsetzung und der Konstituierung eines von dieser Expertenrunde so angesprochenen wie ausgeschlossenen kritischen Verbrauchers.
Die DFG-Kommissionsakten bieten einen ausführlichen Quellenbestand zur Geschichte der Lebensmittelzusatzstoffe in den fünfziger und sechziger Jahren. Die Rolle der Kommissionen als Ort der Vermittlung verschiedener Interessen und Diskurse und als Katalysator der Prekärisierung der Fremdstoffe steht im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die Konstituierung einer Taxonomie prekärer Stoffe, dies ist ein mit dem Quellenmaterial der WHO und der DFG-Kommissionen zu eruierender bedeutender Untersuchungspunkt des Forschungsprojektes, etablierte zugleich eine Risikopolitik prekärer Stoffe, bei der schließlich Fremdstoffe als immer nur "duldbar" bestimmt werden. Die veränderte Politik im Rahmen des Risikomanagments, wie sie mit dem neuen Lebensmittelgesetz 1958 gefestigt wurde, soll im Forschungsvorhaben am unterschiedlichen Umgang mit den prekären Stoffen (Diphenyl-)Thioharnstoff als von der Degussa hergestelltem Konservierungsstoff für Citrusfrüchte vor der Novelle, dem Fischkonservierungsmittel Hexamethylentetramin (Hexa) während der Novelle und dem Bayer-Produkt "Baycovin" zur Getränkeentkeimung nach der Novelle des Lebensmittelgesetzes erhellt werden.
Bearbeiter: Dr. Alexander von Schwerin (Projektlaufzeit: 1.7.2009-30.6.2011)
Die geplante Studie untersucht den Zusammenhang zwischen der Geschichte biologischer Dinge und der Entwicklung einer die Gesamtheit der Lebensprozesse umschließenden Biopolitik. Den Gegenstand des Forschungsvorhabens bilden mutagene Stoffe: „Umwandlungsstoffe“ oder „Erbgifte“. Ihre transformierende Eigenschaft machte Mutagene zu begehrten Forschungsinstrumenten der Genetik und der aufstrebenden Molekularbiologie. Beginnend mit den sechziger Jahren definierten Mutagene aber auch ein Disziplin-übergreifendes Problemfeld der Risikopolitik, zu dem radioaktive Partikel und zunehmend weitere (technische) Agenzien wie Arzneimittel, Pestizide und DDT gerechnet wurden. In der prekären Doppelrolle zwischen Leistungsfähigkeit und einzugrenzender Autonomie übernahmen Mutagene an der Schnittstelle von Forschung, Konsum und Risikopolitik eine zentrale Übersetzungsfunktion zwischen unterschiedlichen Diskursen und Praktiken. Im Vergleich zu den USA und der internationalen Forschung soll anhand umfangreicher Forschungsliteratur und Archivquellen die Rolle der Mutagene als materieller Verknüpfungspunkt zwischen biowissenschaftlicher Laborforschung und Veränderungen in der Risikopolitik der sechziger und siebziger Jahre in Deutschland untersucht werden. Die Studie knüpft damit aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive an die historiographische Forschung über die Bedingungen der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse an, die sich im Untersuchungszeitraum vollzogen.
Das Forschungsinteresse richtet sich zunächst auf den Beginn der Umweltpolitik und damit den Prozess, durch den bereits in den sechziger Jahren eine Ausdehnung der Risikopolitik – über die Problematisierung von Stoffen im geschlossenen Kreislauf von Produktion und Konsum (siehe Antrag Fremdstoffe) hinaus – auf technisch und industriell bedingte Umweltgefahren erfolgte. Die Institutionsgeschichte wissenschaftsgestützter Risikopolitik (DFG-Kommissionen, WHO) soll, hierauf liegt zum einen der Schwerpunkt der Studie, durch die Untersuchung der Forschungspraxis grundsätzlich ausgeweitet werden. Zu dem Zweck wird das Zusammenspiel von risikopolitischer Institution, Risikoforschung leistenden Einrichtungen und (molekular-)biologischem Forschungslabor untersucht. Die Risikopolitik von Mutagenen bildete zum anderen den Kontext für die Genese eines umwälzenden molekularbiologischen Regulationsmodells, der DNA-Reparatur, und seiner Diffusion in den siebziger Jahren. Neben dem Einfluss der DNA-Reparatur auf die Novellierung der Arzneimittel- und Strahlenverordnung wird untersucht, inwieweit dieses Modell in den siebziger Jahren den Siegeszug einer auf Risikofaktoren begründeten und im Zentrum der Transformation der Biopolitik stehenden politischen Regulationsstrategie beeinflusste. Die Untersuchung der Mutagenforschung berührt damit auch Veränderungen in den Konzeptionen des biologischen Organismus und des Homo oeconomicus.
MUTAGENS, MUTANTS, AND MUTATIONS. BIOLOGICAL AND RISKY THINGS IN THE ANALYTICS OF BIOPOLITICS (“ANALYTIK DER BIOPOLITIK”)
Mutagens are simultaneously both required and avoided substances. They are “substances of transformation,” but also “genetic poisons.” Their transformative qualities destined mutagens to become unavoidable instruments within genetics and molecular biology. Since the 1960s, however, mutagens have defined a trans-disciplinary problem of risk policy. Substances such as radioactive particles from fall-out and the nuclear industries, pharmaceuticals, chemical supplements in the foodstuffs industry or pesticides (like DDT) were silent, efficient and ubiquitous. The precarious status between efficiency and (dangerous) autonomy formed the key characteristics of mutagens that nurtured the ambivalent career of mutants. Daily life became populated by horrifying, but also superhuman creatures.
--The Environmental Turn--
The ubiquitous threat of mutagens coincided with the emerging era of mass consumption in the early 1960s. Less well known, however, is the process by which, in the same period, the environment became an object of ‘science-politics,’ while Western governments only launched their environmental programs in the early 1970s. So, how did governmental policy widen its focus from the closed circuit of production and consumption towards a general ideal of “environmental hygiene” and “biopolitics of life as a whole” (Lemke)? Who and what were the actors in that science-based risk policy and what was the process of mediation?
--From DNA Repair towards the Active Self--
It seems that the mutational excitement became the trigger for a revolutionary model of regulation in molecular biology that can be linked with DNA repair mechanisms. According to the concept of “DNA repair,” there are cellular mechanisms and enzymatic systems that are able to “repair” mutations. Similar to what has been referred to as the “immunological self” (Haraway), DNA repair marks a significant shift in the organism’s relation to its environment, introducing something like a self-repairing self. This leads to the question of how this model became associated with other changes that became the basis for a more general transformation of regulatory strategies. Hence, mutations might tell us something about the Homo oeconomicus of the neoliberal turn beginning in the 1970s.
Bearbeiterteam: Prof. Dr. Bettina Wahrig, Dr. Alexander von Schwerin, Dr. Heiko Stoff, Viola Balz
Ziel dieses historiographischen Projektes ist die Erarbeitung einer Genealogie prekärer Stoffe. Gemeint sind damit Substanzen, die auf den lebenden Körper einwirken, aber auch den Organismus als "funktionsfähigen" oder "gestörten" konstituieren. In epistemologischer Perspektive sollen diese Substanzen als prekäre Stoffe zusammengefasst werden und ihre Rolle in den experimentellen Lebenswissenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts, ihre Materialisierung, Standardisierung, Isolierung, Aktivierung, Produktion und Distribution, untersucht werden. Das Interesse gilt dabei dem unabgeschlossenen historischen Prozess, durch den diese Stoffe nicht nur zu Dingen des Experiments gemacht oder zur technischen Anwendung gebracht, sondern überhaupt erst substanziell werden. Es geht um den historischen Prozess der Verdinglichung der Dinge. Gifte, biologische Wirkstoffe (Vitamine, Hormone, Enzyme), Psychopharmaka und radioaktive Isotope sind solche Dinge und bilden den Startpunkt dieses Projektes.
Schon seit den ersten Begegnungen der europäischen Reisenden mit den südamerikanischen Völkern war das Interesse an dem Pfeilgift Curare besonders hoch. Ab der Mitte des XVIII. Jahrhunderts wurden Curare-Proben nach Europa gebracht und Chemiker, Apotheker, Ärzte und Physiologen fingen an, sie zu analysieren und mit ihnen zu experimentieren. Zwischen den Wissenschaftlern, die mit Curare forschten, entstand damit ein dichtes Kommunikationsnetz, indem sie untereinander Materialien und Informationen austauschten. Versucht man die „Wege des Curare“ zu verfolgen, gewinnt man einen privilegierten Blickwinkel auf die experimentelle Praxis der Physiologen des XVIII. und XIX. Jahrhunderts und, vor allem auf dem Gedankenaustausch zwischen Naturwissenschaftlern von verschiedenen europäischen Nationen in dem genannten Zeitraum. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht somit, neben der Narrative der Curare-Forschung, die Rekonstruktion dieses europäischen Kommunikationsnetzes und der Intersektionen zwischen theoretischen Modellen und praktischen Erfahrungen im Labor.
Im Zuge der Annektion des Rheinlandes durch die Franzosen 1794-1812 wurden auch im Herzogtum Jülich-Berg gesetzliche Neuerungen eingeführt, insbesondere auch hinsichtlich der bislang geltenden Medizinalordnungen. Hierzu gehörte auch die Übernahme des ersten europäischen Erfinderschutzgesetzes, des französischen Patentgesetzes aus dem Jahre 1791, das mit dem in ihm enthaltenen Regelungen zum Patentschutzes auch das Arzneimittelwesen im Herzogtum revolutionierte. Wie überall gab es auch in Jülich-Berg auf der einen Seite die etablierte akademische Ärzteschaft, auf der anderen Seite die durch zahlreiche Heiler repäsentierte Volksmedizin, die gegenseitig in einem ausgeprägten Konkurrenzverhältnis standen. Dabei wurden von der in Medikalisierungsbestrebungen befindlichen Ärzteschaft scharfe Ausgrenzungsversuche hinsichtlich der äußerst beliebten Heiler unternommen, um die als „Pfuscher“ und „Quacksalber“ verächtlich gemachten Konkurrenten aus dem medizinischen Berufsbild zu verdrängen. Das nun von den Franzosen eingeführte Patentgesetz sorgte innerhalb ärztlicher Kreise für große Unruhe, eröffnete es doch mit seinen Regelungen über die Verbreitung der Aufklärung der Medizin und der Beförderung der Kenntnis nützlicher Mittel zum Wohl aller Untertanen den verhaßten Volksmedizinern ungeahnte Möglichkeiten. Das Gesetz sah vor, nicht nur sämtliche potentiell nützliche Medizin und damit auch die Präparate der Kräuterfrauen und Heiler in den offiziellen Arzneischatz zu integrieren, sondern gestattete auch den „Erfindern“ im Volke, „ihre spezifischen Heilmittel gegen verschiedenen Krankheiten oder von Substanzen, die für die Heilkunde nützlich waren,“ öffentlich zu verkaufen. Das absolut Revolutionäre an dem Patentgesetz der Franzosen war jedoch, dass die Erfinder einer Medizin das Geheimnis ihrer Verfertigung behalten und damit schützen durften. Jeder, der mit einem Quäntchen Witz, mit Raffinesse aber auch Genie etwas Neues schuf, was am Ende nicht nur der allgemeinen Staatswohlfahrt und vor allem auch dem wirtschaftlichen Erfolg nützlich werden konnte, wurde vom französischen Gesetzgeber belohnt. Anders als in Deutschland tendierte der französische Gedanke der industrie nicht nur zu betriebsamen, sondern vielmehr erfinderischen Gewerbefleiß. Das Erfinder- und Einführungspatente für Arzneimittel gleichzeitig aber auch eine Monopolisierung des Arzneimittelhandels mit der potentiellen Gefahr einer Verknappung des Arzneimittelschatzes bedeuteten, wirkte sich nachteilig auf die Patenterteilungspraxis in den Herzogtümern aus. Als Wirtschafts- und Gewerberecht stieß das Patentgesetz an die Grenzen der Medizinalordnungen, welche dem Versorgungs- und Sicherstellungsauftrag im Medizinalwesen zukam. Hieraus resultierten Interaktionen auf Individual- (zwischen Heilern, Medizinalpersonen und Publikum) als auch auf Kollektivebene (zwischen Obrigkeit und Ärzteschaft), die in Folge die Arzneimittelversorgung der Rheinprovinz prägten. Ziel der Studie ist es, die Interessen der Akteure auf Individual- als auch auf Kollektivebene transparent zu machen. An dieser Stelle ist von vorrangigem Interesse, welche Allokationsmechanismen und Neuausrichtungen diese auf die Verfügungs- und Zugriffsrechte von Arzneimitteln hinterließen. Darüberhinaus soll der Fragestellung nachgegangen werden, welchen Einfluß das Patentgesetz von 1791 im speziellen innerhalb der Reformprozesse des Arzneimittelwesens Jülich-Bergs hinterließ.
Bearbeiterinnen: PD Dr. Martina Mittag, Prof. Dr. Bettina Wahrig
Das Projekt verfolgt das Ziel, eine Geschichte des Gifts als Grenzobjekt zwischen Wissenschaft, Literatur und Öffentlichkeit im Zeitraum 1750-1900 zu schreiben. Am Beispiel des literarischen und wissenschaftlichen Umgangs mit Giften soll untersucht werden, wie sich die diskursiven Strukturen moderner Gesellschaften entwickelt haben, wie biopolitische Beherrschbarkeit zu einem „technischen“ Problem erklärt und Widerstand tendenziell zum Bestandteil von Macht geworden ist. Spezielle Aufmerksamkeit gilt dabei der Rolle von Geheimnis, Öffentlichkeit, Macht und Intervention sowie des Abjekten als Artikulation von Ambivalenz und Widerstand. Es sollen Diskurse untersucht werden, welche die Grenzen zwischen wissenschaftlichen Debatten, ästhetischen Entwicklungen, juristischen Diskursen und der allgemeinen Öffentlichkeit überschritten. Anhand ausgewählter Gifte (Curare, Arsen und Opium) sollen Verschiebungen im Giftdiskurs verfolgt werden in Bezug auf Giftbegriff und -systematik, auf Giftnachweise und ihre Verwendung in Giftmordfällen, auf politische, moralische und ästhetische Konnotationen sowie auf implizite Aushandlungen des Geschlechterverhältnisses. Anhand der Kommunikation über Gifte sollen Hinweise auf die Neuformierung des europäischen Kommunikationsraums im 19. Jahrhundert inclusive seiner kolonialen Diskurse (Beherrschung und Ausschluss des Fremden/Anderen) gewonnen werden. Im interdisziplinären Austausch zwischen Literaturwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte sollen Beziehungen hergestellt werden zwischen dieser Neuformierung und der Herausbildung des modernen Organismusbegriffs, der eine entscheidende Rolle für die Entstehung der experimentellen Toxikologie gespielt hat.
Ein Kooperationsprojekt der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel und der Abteilung für Geschichte der Naturwissenschaften mit Schwerpunkt Pharmaziegeschichte
Ziel des Projekts ist die Erstellung einer Monographie, basierend auf Auswertungen eines einmaligen Archivbestands zu Lieferungen der Wolfenbütteler Hofapotheke im 17. Jahrhundert. In einem zusammenfassenden ersten Teil sollen die Funktionen einer frühneuzeitlichen Apotheke konkret beschrieben werden. In einem zweiten Teil werden repräsentative Beispiele für die Beziehungen zwischen Apotheker, Arzt und Fürst gegeben und kommentiert. Es soll dargestellt werden, inwieweit die Apotheke nicht nur Lieferant für Arznei war, sondern auch für Substanzen, die das höfische Leben (inkl. Kosmetik und Konfekt) oder naturwissenschaftliche Experimente erforderten. Im Anhang bzw. als CD werden die ausgewerteten Archivalien der Forschung zugänglich gemacht.
Das Projekt untersucht die Rolle der DFG (=NG, RFR, DFG) in der biowissenschaftlich ausgerichteten Strahlen- und Radioaktivitätsforschung (kurz: Radioaktivitätsforschung) im Zeitraum 1920-1970. Es stellt damit einen Beitrag zur Geschichte eines Institutionen und Disziplinen übergreifenden Wissensfeldes dar, das über die Biowissenschaften hinaus Physik und Chemie umfasste. Es gilt, die Organisation und Reorganisation institutioneller, personeller und forschungspraktischer Strukturen im Zusammenhang der politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Radioaktivitätsforschung (Röntgeneuphorie, Systemwechsel, Kriegsforschung, Atomzeitalter) darzustellen. Die DFG wird in diesem Geschehen als ein besonders wirkmächtiger Akteur begriffen.
Das gesellschaftliche Nutzen- und Gefahrenpotenzial der Radioaktivität machte Radioaktivitätsforschung zu einem umkämpften Bereich innerhalb der DFG-Förderung. Daneben war die ausgesprochene Interdisziplinarität dieses Feldes ausschlaggebend für seine außergewöhnliche Forschungsdynamik. Radioaktivität war früh der Kristallisationspunkt innovativer experimenteller Kulturen und rückte ins Zentrum der Entstehungsgeschichte der Molekularbiologie. Während die DFG bereits in den dreißiger Jahren und dann verstärkt im Krieg strahlenbiologische Forschung förderte, wurde molekularbiologisch orientierte Radioaktivitätsforschung in Deutschland erst in den fünfziger Jahren zum Schwerpunkt der Forschungsförderung. Es kann gezeigt werden, dass diese international sich vollziehende Schwerpunktverlagerung parallel verlief mit dem epistemischen bzw. politischen Wechsel von einem statischen zu einem systemischen Gefahren- und Organismus- bzw. Regulationsmodell.
Das Projekt ist Teil der DFG Forschergruppe zur Geschichte der Deutschen Forschungsgesellschaft.