Für das wissenschaftliche Arbeiten sind Abstraktionen unabdingbar. Um die komplexe Realität modellierbar zu machen und speziell ingenieurwissenschaftlich bearbeiten zu können, ist Allgemeines herauszuarbeiten, sind Allgemeinbegriffe zu bilden, Modelle und Formeln aufzustellen. In der Informatik, deren Zugriffe zunehmend auf die anderer Disziplinen Einfluss haben, gelten beispielsweise die Schritte der Formalisierung (Modellierung von Welt), Algorithmisierung (mathema-tische Beschreibung) und Maschinisierung (Programmierung) als grundlegendes kognitives Modell. Technische Anwendungen machen zudem Normierungen und Standardisierungen erforderlich. Im Zuge dieser Übersetzungen zwischen Mensch/Welt und Maschine gehen Vorannahmen und Setzungen ein, die politische Wirkungen haben (Bowker und Star). Häufig wird der Gegenstandsbereich vereinfacht, von Ausnahmen und Spezialfällen abstrahiert, Störungen, aber auch mit exakten Methoden nicht Fassbares, bleiben unberücksichtigt. Werkzeuge wie Modellierungssprachen oder Visualisierungsansätze können diese Einseitigkeiten und Verzerrungen unterstützen. Kritische Analysen zeigen, dass das beim Abstrahieren Ausgeschlossene, Ignorierte oder Verworfene oft Tätigkeiten sind, die symbolisch mit Weiblichkeit assoziiert werden oder strukturell als Frauenberufe gelten, z. B. Pflege/Sorge, Kommunikationsfähigkeit oder Emotionalität. Gemeinsame Arbeitsziele: Die Arbeiten dieses Forschungsfelds identifizieren durch transdisziplinäre Zusammenarbeit Leerstellen und Ausschlüsse in den Techniken der Abstraktion, sie schließen Lücken und bereichern damit die ingenieur- wie geschlechterwissenschaftliche Forschung. Allgemeine Erkenntnisse sind zu erwarten über das Verhältnis von Modellierung und Abstraktion als (gleichzeitig) Voraussetzung und Ergebnis von Prozessen der Technologie-Entwicklung und wissenschaftlichen Evidenz-Produktion. Die Vorgehensweisen wie auch die Werkzeuge von Abstraktion und Modellierung werden auf zugrunde gelegte Annahmen hin untersucht: Was wird als Norm und was als Abweichung gesetzt oder angenommen? Was gilt als Ausnahme oder Störung? Welche Einschlüsse und Ausschlüsse gehen damit einher? Und wie korrelieren Vorannahmen von Technik mit bestehenden Ordnungen z.B. sozialer Ungleichheit? Wie verändern sich die "Kulturen der Objektivi¬tät" (Daston/Galison 2007) durch Verdatung biologischer Experimente, und welche Rolle spielen im Vergleich dazu klassische Methoden der Sichtbarmachung (z. B. Mikroskopie).
Design kann im künstlerisch-ästhetischen Sinne und im Sinne technischer Produktentwicklung verstanden werden. Es umfasst Aspekte der Imagination und der technischen Realisierung. Sämtliche Formen erfordern sowohl Kreativität als auch spezifische Fähigkeiten zur konkreten Umsetzung in ein Produkt, d. h. handwerkwerkliche Tätigkeit und ein methodisches Vorgehen. Auf jeder dieser Ebenen unterliegt Design spezifischen Vergeschlechtlichungen. So sind bereits Vorstellungen vom Designer als (kreativem) Künstler ebenso männlich konnotiert wie die vom Techniker als Schöpfer. Weitere geschlechtliche Bedeutungen können über den Begriff des Ingenieurs abgeleitet werden, der etymologisch auf ingenium (lat.) zurückgeht, das mit Erfindung, Scharfsinn oder Genialität verbunden wird. Später wurde der Ingenieur im Kontext der Kriegskunst gedeutet und steht heute für technische Expert*innen mit theoretischer Grundlagenausbildung. Die mit Design bzw. Gestaltung verbundenen Tätigkeiten galten im historisch-kulturellen Wandel als symbolisch männlich; unter den sie ausübenden Personen überwiegt bis heute das männliche Geschlecht. Technische Artefakte können ebenso wie mediale Produkte, z. B. Filme, durch Ein- und Festschreibung stereotyper Vorstellungen über Frauen oder Männer vergeschlechtlicht sein. Das Design kann aber auch Stereotype aufweichen, realistischere Annahmen gestalten oder sogar Geschlecht anders als im Alltagsbewusstsein kodieren und dabei Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen flexibilisieren oder veruneindeutigen. Gemeinsame Arbeitsziele: Die Arbeiten aus diesem Forschungsfeld zielen darauf, Vergeschlechtlichungen von Tätigkeiten, Prozessen und Produkten der künstlerisch-kreativen und technischen Gestaltung in ihren Widersprüchlichkeiten zu analysieren. Gleichzeitig sollen mögliche Gegenbilder und Methoden ihrer Gestaltung vorgeschlagen werden: Was kann ein geschlechterkritisches, was ein Zweigeschlechtlichkeit durchkreuzendes Design? Und welche Werkzeuge und Methoden der (Technik-)Gestaltung sind dafür notwendig? Wie lassen sich z.B. Usability-Ansätze und Geschlechterforschung verbinden? Fördert ein partizipativer Technikgestaltungsansatz eine soziale und symbolische Integration des zuvor Ausgeschlossenen und Nichtberücksichtigten in das technische Produkt?
Mensch-Maschine-Konfigurationen sind nicht nur prima vista Vermittlungen zwischen Form und Stoff, Geist und Materie. Sie werden ihrerseits geformt: Übergänge zwischen Materialität und Virtualität sind technisch-medial gestaltet sowie ideell imaginiert. So ahmen bspw. Simulationen bestimmte Vorstellungen des Materiellen technisch nach, in utopischen wie dystopischen Filmen werden Menschen als Maschinenwesen konzipiert, und Technikentwicklung kann wiederum von Science Fiction inspiriert sein. Jedes Artefakt und damit auch jede Maschine setzt einen kreativen Neubeginn 'zwischen' Geist und Materie. Dahinter verbergen sich kulturhistorisch tradierte Spannungsfelder wie das von Stoff/Form oder Möglichkeit/Wirklichkeit. Das Konstruieren und Imaginieren, aber auch das Verstehen von Technik steht im Spannungsfeld von Virtualität und Materialität. Mensch-Maschine-Konfigurationen sind so gesehen Vermittlungsverhältnisse von "Geist" und "Materie" (etymologisch verwandt mit mater, "Mutter" und matrix, "Gebärmutter") mit normativem Hintergrund. Der Geist steht scheinbar über dem Körper, die Form und das Zeichen über dem Stoff. Die bisherigen Mensch-Maschine-Konfigurationen repräsentieren unreflektiert ein hierarchisches, duales Verhältnis und knüpfen hierbei an Geschlechterstereotype an. Die hierzu Forschenden widmen sich deshalb der Analyse jener Denkstrukturen und versuchen für Technikentwicklung, -design und -gestaltung Alternativen zu entwickeln. Während die Naturwissenschaften historisch gesehen an einen mit Reproduktivität gekoppelten Materiebegriff anknüpfen, zeichnen sich die Technikwissenschaften durch die gestalterische Formgebung der Materie aus, die dadurch zum Material bzw. zum Stoff wird, der eine Bedeutung erst durch die IngenieurInnen erlangt. Durch die Fokussierung dieser Differenz werden theoretische Grundlagen von Technikgestaltung deutlich, andererseits eröffnen sich Forschungsperspektiven in Bezug auf die Technikwissenschaften: Was ist der technisch gestaltende Prozess, was sein Material? Welche neuen Aspekte ergeben sich, wenn der Film als paradigmatisches "Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit" (nach Walter Benjamin) einbezogen wird? Gemeinsame Arbeitsziele: Im Forschungsfeld wird den Geschichten der Materialitäten, ihren Repräsentationen und ihren Aufhebungsversuchen auf den Grund gegangen. Dabei soll das Wissen zur Erklärung materieller und virtueller Artefakte ("Know how") mit dem Wissen zum Verstehen eben jener Artefakte ("Know why") fruchtbringend interagieren. Die Arbeiten untersuchen u.a. Materialisierungen von Heteronormativität (z. B. Einschreibung von Stoff/Form in materialbasierten Fächern wie Stahlbau, Holzbau oder mediale Inszenierungen von Technologien) oder Virtualisierungsprozesse in den Ingenieurwissenschaften (z. B. Übergänge vom mechanischen zum digitalen Rechnen, vom technischen Zeichnen mit Stift zum CAD) in Perspektiven der Geschlechterforschung. Zudem sollen die Geschlechteranalysen theoretisch (z. B. medienwissenschaftlich, technikphilosophisch) weiterentwickelt werden mit dem Ziel, starre Dualismen auch für die praktische Ebene der Technikentwicklung/-gestaltung überwinden zu können (erkenntnisleitend ist z. B. Haraway).
Mensch-Maschine-Konfigurationen können als Teile sozio-technischer Netzwerke verstanden werden, d. h. von Netzwerken, die aus menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren bestehen. Netzwerkanalysen mit Hilfe der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT: Latour, Callon, Law) stellen ein prominentes Instrument der Analyse in den "Science and Technology Studies" dar. Es ist ein Desiderat für die Genderforschung, diese auch in ihren Reihen populäre Theorie genauer auf ihre Potenziale und Leerstellen hin zu untersuchen. Der Ausdruck des Netzwerks ist für verschiedene Disziplinen ein 'terminus technicus' mit ganz verschiedenen Bedeutungen. In diesem Forschungsfeld geht es darum, die Potentiale dieser Begriffskonzepte auszuleuchten. Speziell hinsichtlich der Durchführung empirischer Fallstudien, sogenannter Laborstudien, hat sich der Ansatz der ANT als höchst produktiv erwiesen, um Mensch-Maschine-Verhältnisse jenseits von Technik- und Sozialdeterminismus, aber auch jenseits von Technikeuphorie oder Kulturpessimismus zu untersuchen. Die Metapher der "Vernetzung" kommt den Bestrebungen der Gender Studies nach Enthierarchisierung und Überwindung von Heteronormativität zwar entgegen, doch sind Netzwerkanalysen für eine Geschlechteranalyse explizit um die Reflexion von Machtverhältnissen in den Netzwerken zu ergänzen. Hier gilt es die ANT zu befragen, welches analytische Potenzial sie für die Beobachtung von Prozessen der Technikentwicklung hat. In den letzten Jahrzehnten galt vorwiegend Rationalität als Charakteristikum des Humanen, weshalb ihre Erscheinungsformen vorwiegend untersucht wurden, wenn es um die Interaktion von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren ging. Neuerdings geraten Emotionen zunehmend in den Blick. Die Frage, wie Emotionen oder deren Repräsentationen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren ausgetauscht werden können sowie die Medialisierung von Emotionalität erscheinen - wie Pflegeroboter oder auch Spracherkennungs¬systeme verdeutlichen - aktuell höchst virulent. Sie stellen Fragen der strukturell-symbolischen Geschlechterordnung neu. Gemeinsame Arbeitsziele: Die Arbeiten des Forschungsfelds untersuchen beispielsweise Mensch-Maschine-Interaktionen in komplexen Steuerungszusammenhängen, neuen Medien und gemischten Technologien, in denen sich Gegensätze zwischen 'harter' Technik und 'weichen' sozialen Technologien verwischen. Sie umfassen zugleich genderkritische Analysen neuer Formen der Arbeitsorganisation durch vernetzte Zusammenarbeit und reflektieren dies mithilfe von Ansätzen wie der ANT. Ziel ist zum einen die kritische Überprüfung der ANT als Instrument von Gender-Forschung im Bereich Technik und Technikwissenschaften, zum anderen die kritische Erarbeitung von Denkmodellen zum technischen Umgang mit Emotionen in einem geschlechtlich (vielfältig) deutbaren technisch-sozialen Feld.