Bewertung der Stickstoff- und Phosphorrückgewinnung im Gesamtsystem aus Abwasserreinigung und Landwirtschaft
Zusammenfassung
Der Ansatz, Abwasser und seine Inhaltsstoffe als Ressource zu betrachten, hat mittlerweile eine weite Verbreitung gefunden. Zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen und somit zur Sicherung der Lebensgrundlage der Weltbevölkerung steht global betrachtet sicherlich das Wasser selbst im Fokus des Interesses. Gleichwohl sind auch die Inhaltstoffe Stickstoff und Phosphor essentielle Nährstoffe für die Landwirtschaft, deren Rückgewinnung aus Ressourcenschutzgründen grundsätzlich als sinnvoll anzusehen bzw. im Falle des endlichen Rohstoffes Phosphor mittelfristig zwingend notwendig ist. Da beide Stoffe bei der Abwasserreinigung mit großem technischen und finanziellem Aufwand entfernt werden müssen, sind die Ausgangsbedingungen für eine Nährstoffrückgewinnung - und somit eine Inwertsetzung der Schmutzstoffe - insgesamt günstig. Es ist insofern etwas überraschend, dass die Nährstoffrückgewinnung noch keine großtechnische Verbreitung gefunden hat.
In der vorliegenden Arbeit konnte im Rahmen einer eingehenden Literaturanalyse gezeigt werden, dass die geringe Verbreitung auf Defizite in Konzeption und Bewertung der Rückgewinnungsverfahren zurückzuführen ist, die sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit (und somit den wesentlichen Faktor einer Verfahrensumsetzung) auswirken. Hierunter sind insbesondere die fehlende gesamtsystemische Betrachtung und Bewertung sowie die fehlende Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Belange zu nennen. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde die Hypothese aufgestellt, dass ein Beheben der Defizite zu einer wirtschaftlichen Verfahrensumsetzung führen kann.
Zur Untersuchung der Hypothese wurde eine MAP-Fällung zu P-Rückgewinnung sowie eine Ammoniakstrippung zur Stickstoffrückgewinnung für den Zentratwasserstrom einer kommunale Kläranlage der Größenklasse 5 konzipiert. Beide Verfahren wurden im Sinne einer gesamtsystemischen Betrachtungsweise explizit auch als Reinigungsverfahren angesprochen und bewertet. Die Rückgewinnungsprodukte Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP) und Diammoniumsulfat (DAS) sind zum direkten Einsatz als Düngemittel geeignet.
Zur Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Belange wurde der Düngemittelbedarf feldfrucht- und zeitspezifisch erfasst und mit dem MAP- und DAS-Angebot der Kläranlage abgeglichen. Für das untersuchte Fallbeispiel konnte hierdurch ein Großteil der bisher eingesetzten Stickstoff- und Phosphordünger durch kläranlagenbürtige Sekundärrohstoffdünger substituiert werden. Für die Substitutionskonzepte konnte ferner der Wert der Sekundärrohstoffdünger ermittelt und letztlich ein Preis festgelegt werden, der für beide beteiligten Akteure von Vorteil ist.
Für das dargestellte Konzept wurde eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt, in der die Erlöse aus der Düngemittelvermarktung als Gutschrift angerechnet wurden. Im Sinne einer gesamtsystemischen Betrachtungsweise wurde die Reinigungswirkung der Rückgewinnungsverfahren ebenfalls als Erlös angerechnet, da die hierdurch entfernten N- und P-Frachten nicht mehr als Rückbelastung wirksam werden und demgemäß keine Kosten (mehr) in der konventionellen Reinigung verursachen. Im Hinblick auf die Kosten der Rückgewinnungsverfahren sind insbesondere die Betriebskosten - und hierunter vor allem die Kosten der Betriebsmittel - zu nennen, die die Kapitalkosten deutlich übersteigen.
In Summe ergeben sich Jahreskosten von rund 1,19 Mio. € und Erlöse von etwa 1,03 Mio. €. Diese sind zu etwa 85% auf die Anrechnung der Reinigungswirkung und somit die gesamtsystemische Betrachtungsweise zurückzuführen. Mit rund 15% bzw. etwa 150.000 €/a sind die Erlöse aus der landwirtschaftlichen Düngemittelvermarktung im Vergleich deutlich geringer; da diese jedoch in der gleichen Größenordnung wie die verbleibenden Netto-Kosten von 160.000 €/a liegen, sind diese ebenso wie die Anrechnung der Reinigungswirkung von zentraler Bedeutung für die Verfahrenskonzeption und -bewertung.
Aufgrund der resultierenden Netto-Kosten konnte die aufgestellte Hypothese für das untersuchte Fallbeispiel und die gegebenen Rahmenbedingungen jedoch nicht vollständig bestätigt werden. Im Rahmen von Break-Even-Analysen konnte jedoch gezeigt werden, dass Stellgrößen wie der Betriebsmitteleinsatz so optimiert werden können, dass eine wirtschaftliche Verfahrensumsetzung möglich sein kann. Auch vom Fallbeispiel abweichende, günstigere Rahmenbedingen wie bspw. geänderte Nährstofffrachten können im jeweiligen Einzelfall zu einer wirtschaftlichen Verfahrensumsetzung führen.
Über die Ökonomie hinausgehend, sollten auch nicht-monetäre Aspekte in die Verfahrensbewertung mit einfließen, die deutlich für den Einsatz der Rückgewinnungsverfahren sprechen. Hierunter sind insbesondere der Ressourcenschutz, betriebliche Vorteile und Flexibilität auf der Kläranlage sowie die lokale, vom Weltmarkt unabhängige Bereitstellung von Düngemitteln zu nennen.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnte somit gezeigt werden, dass eine MAP-Fällung sowie eine NH3-Strippung zur Behandlung des Zentratwassers - verbunden mit der landwirtschaftlichen Verwertung der Rückgewinnungsprodukte - grundsätzlich in Erwägung gezogen werden sollten.