Der Hyperschallwindkanal Ludwiegrohr [1] erzeugt eine Mach 6 Strömung bei einer Reynolds-Zahl bis zu 18 Millionen im intermittierenden Betrieb. Die Messstrecke erlaubt die Aufnahme von etwa 200 mm großen Modellen. Die messtechnische Ausrüstung beinhaltet Schlierenoptik, Infrarot-Kamera und Druckmesstechnik.
Der HLB besteht aus einem langen Ludwieg`schen Druckspeicherrohr mit einer sich anschließenden konvergent-divergenten Düse, welche den Gasstrom in Richtung der Messstrecke expandiert. Im Anschluss an die Messstrecke wird das Gas durch einen Überschalldiffusor geleitet und in einem Vakuumkessel aufgefangen. Ein Schnellschlussventil vor dem engsten Düsenquerschnitt trennt vor dem Versuch den Überdruckteil vom Unterdruckteil der Anlage. Wenn das Ventil öffnet, läuft eine Expansionswelle in das Speicherrohr hinein, wird an dessen Ende reflektiert und läuft zurück zum Ventil. Der dafür notwendige Zeitraum bestimmt die Versuchsdauer, während der in der Düse und somit in der Messstrecke konstante Strömungsbedingungen vorliegen. Dieses einfache, nach seinem Erfinder Hubert Ludwieg benannte Arbeitsprinzip erzeugt eine hypersonische Strömung hoher Qualität ohne die Notwendigkeit einer aufwendigen Totaldruckregelung und großer Beruhigungskammern wie in konventionellen "blow-down"-Anlagen. Die für die Anlage benötigte elektrische Leistung sowie die gesamten Betriebskosten sind bemerkenswert gering.
Der HLB ist für die Machzahl 6 ausgelegt. Die Messstrecke hat einen Durchmesser von 0,5 m. Die maximale Reynoldszahl hängt von dem Druck im Speicherrohr ab, welcher auf maximal 30 bar beschränkt ist. Die Versuchszeit mit konstanten Strömungsbedingungen ist durch die Speicherrohrlänge von 17 m bestimmt. Das Ventil arbeitet mit einem pneumatisch getriebenen Stößel, der den Düsenhals 160 ms nach dem Öffnen wieder schließt. Das Speicherrohr ist in einen beheizten und einen unbeheizten Abschnitt unterteilt, um Kondensation in der Messstrecke zu verhindern und Wärmeübergangsmessungen zu emöglichen. Der 6 m³ fassende Vakuumkessel ermöglicht das Starten der Hyperschallströmung und hält den Gegendruck klein, um den Zusammenbruch der Strömung während der Versuchszeit zu verhindern. Der HLB ist mit einem Hochdruckkompressor und anschließendem Druckluftspeicher, sowie mit einer leistungsfähigen Vakuumpumpe ausgestattet. Dieses System gestattet schnelle Versuchsfolgen mit bis zu 10 Kanalläufen pro Stunde.
Die divergente Düse wurde sorgfältig konturiert. Der Öffnungshalbwinkel variiert von anfangs 7.5° bis 3° am Düsenaustritt. Somit behält die Strömung in der Messstrecke eine leichte Divergenz, wodurch die Düsenströmung unempfindlich gegenüber leichten Abweichungen des Betriebszustandes vom Auslegungspunkt ist. Vergleiche von numerischen Strömungssimulationen und Messungen zeigen, dass die Ungleichförmigkeiten des Pitotdruckes über den nutzbaren Messquerschnitt nicht größer sind als +/-1,2% des Mittelwertes betragen. Das entspricht einer Machzahlvariation von +/-0.6%. Die Messstrecke selbst hat einen konstanten Kreisquerschnitt mit einem darunter montierten Behältnis, welches eine extern gesteuerte XZ-Traverse enthält. Optischen Zugang zur Messstrecke gewähren drei Fenster mit 260 mm Durchmesser, die sich zu beiden Seiten und an der Oberseite der Messstrecke befinden.
Der Kanal ist mit einem 8-Kanal Datenakquisitionssystem für die Messungen des Pitotdruckes bei einer Datenrate von 10 kHz ausgestattet. Ein Rechen mit 6 Pitotröhrchen ist an der XZ-Traverse montiert und erlaubt somit die Vermessung des Strömungsfeldes in der Messstrecke. Zudem wird der instationäre Temperatur- und Druckverlauf am Eintritt in die Düse gemessen. Die Visualisierung der Strömung wird durch ein Schlierensystem ermöglicht. Die Schlierenmethode nutzt die Abhängigkeit des optischen Brechungsindex von der Gasdichte und macht so Dichtegradienten im Strömungsfeld sichtbar. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten am HLB wurde ein unkonventioneller, einseitiger Schlierenaufbau gewählt. Ein Infrarot-Kamerasystem der Firma Indigo mit einer Auflösung von 320 x 256 Pixeln und einer Bildfrequenz von 340 Hz steht für Temperaturmessungen zur Verfügung. Forschungsarbeiten zur Wärmestrombestimmung aus Thermographiedaten befinden sich im Fortschritt. Darüberhinaus ist das instationäre Strömungsfeld zu Beginn des Messbetriebs sowie dessen Auswirkung auf die Umströmung eines generischen Testkörpers Gegenstand umfangreicher numerischer Untersuchungen.
Supersonische Bedingungen können am HLB mithilfe einer Mach-3-Düse simuliert werden. Die ursprüngliche Mach-6-Düse wird dazu durch eine Beruhigungskammer und die Mach-3-Düse ersetzt. Das Speicherrohr, die Messstrecke, der Diffusor und der Vakuumtank der ursprünglichen Konfiguration bleiben erhalten. Die Mach-3-Konfiguration besitzt die gleichen stationären Strömungsbedingungen und die hohe Betriebseffizienz der Mach-6-Konfiguration. Im Vergleich zur Mach-6-Konfiguration gibt es keine Kondensationseffekte bei Totaltemperaturen bei Umgebungsdruck, wodurch die Effizienz des Kanals gesteigert wird.
Die Treibstrahl-Simulationsanlage bildet die Verhältnisse der Ariane-5-Trägerrakete nach. Mit dieser Anlage ist es möglich, die Wechselwirkung von Nachlaufströmung und Antriebsstrahl zu untersuchen.
Die Skizze der Treibstrahl-Simulationsanlage zeigt, dass das Funktionsprinzip dem des HLB Windkanals ähnelt. Außerhalb der HLB-Teststrecke befindet sich das 32 m lange beheizte Speicherrohr. Der Durchmesser des Speicherrohrs beträgt 18,88 mm und es kann bis zu 140 bar bedruckt und auf bis zu 900 K aufgeheizt werden. Das Raketenmodell ist mittig in der Messstrecke des HLB angeordnet. Eine Tandemdüse, die aus einer ersten Düse, einer Beruhigungskammer und einer zweiten Düse besteht, ist in das Raketenmodell integriert. Bei der zweiten Düse handelt es sich um eine TIC- (truncated ideal contour) Düse mit einer mittleren Austrittsmachzahl Mae = 2,5 und einem Düsenaustrittsdurchmesser von de = 43 mm. Der Durchmesser der Beruhigungskammer beträgt dSC = 39 mm. Die Beruhigungskammer enthält drei perforierte Platten, um die Gleichmäßigkeit der Strömung vor der zweiten Düse zu verbessern.
Für die Skalierung der Ariane 5-Rakete wird das Verhältnis von Düsen- zu Körperdurchmesser nachgebildet. Bei der Ariane 5 beträgt der Düsendurchmesser dAriane = 2,094 m, der Körperdurchmesser DAriane = 5,4 m und somit das Verhältnis dAriane/DAriane = 0,388. Am Modell beträgt der Durchmesser des zylindrischen Körpers D = 108 mm. Die Dicke der Düsenlippe beträgt 0,5 mm. Mit dem inneren Düsendurchmesser dinner = 42 mm ist das Verhältnis d/D = 0,389 und mit dem äußeren Düsendurchmesser douter = 43 mm ist das Verhältnis d/D = 0,398. Das Verhältnis der Länge der äußeren Düsenverkleidung zum Körperdurchmesser L/D = 1,2 entspricht ebenfalls dem der Ariane 5.
Nach dem Start der Anlage löst sich die Strömung in der ersten Düse ab und es wird ein Stoßsystem erzeugt. Aufgrund dieses Stoßsystems wird die Strömung am Eingang der Beruhigungskammer auf Unterschallgeschwindigkeit abgebremst. In der Beruhigungskammer wird die Strömungsgleichmäßigkeit durch Lochplatten verbessert, die den Gesamtdruck reduzieren und als Strömungsgleichrichter arbeiten. In der zweiten Düse wird die Strömung am Düsenausgang auf Mae = 2,5 beschleunigt.
[1] Estorf, M.; Wolf, T. und Radespiel, R.:
Experimental and numerical investigations on the operation of the Hypersonic Ludwieg Tube Braunschweig
5th European Symposium on Aerothermodynamics for Space Vehicles, 2004
[2] Wolf, T.; Estorf, M.; Radespiel, R.:
Simulation of the Time-Dependent Flow Field in the Hypersonic Ludwieg Tube Braunschweig
4th Atmospheric Reentry Vehicles & Systems, 2005.
[3] Wu, J.; Radespiel, R.:
Tandem nozzle supersonic wind tunnel design
Int. J. of Engineering Systems Modelling and Simulation, 2013 Vol.5, No.1/2/3, pp.8-18
[4] Stephan, S., Radespiel, R. and Müller-Eigner, R.:PROPULSIVE JET SIMULATION IN A HYPERSONIC LUDWIEG TUNNELDeutscher Luft- und Raumfahrtkongress 2012, Berlin.
[5] Stephan, S., Radespiel, R. and Müller-Eigner, R. :Jet Simulation Facility using the Ludwieg Tube Principle Proceedings of the 5th European Conference for Aerospace Sciences (EUCASS), Munich, Germany, July 1-5 2013.