Viele technische Produkte weisen Oberflächen auf, die zur Erfüllung ihrer Funktion spiegelnd reflektierend oder transparent ausgeführt sind. Neben dem verbreiteten Einsatz als optische Funktionsflächen, wie etwa bei Spiegeln und Linsen, dienen entsprechende Oberflächen auch oftmals der Produktästhetik. In diesen und weiteren Anwendungsfällen ist es zur Sicherstellung der vom Kunden erwarteten Produktqualität erforderlich, auch kleine Oberflächendefekte zu lokalisieren und zu klassifizieren. Diese Prüfung erfolgt heute in vielen Fällen noch durch visuelle Sichtprüfung, da sich eine Automatisierung als nicht trivial erweist.
Am IPROM wurde ein neuartiges Messprinzip zur Detektion kleiner Defekte an spiegelnden und transparenten Oberflächen entwickelt, welches im Unterscheid zu den meist genutzten Anordnungen mit Dunkelfeldbeleuchtung auf einer Beobachtung im Hellfeld basiert. Ähnlich der klassischen Deflektometrie zu Formmessung an spiegelnden Oberflächen wird hierbei eine flächenhafte, örtlich modulierbare Lichtquelle genutzt, deren vom Prüfling durch Reflexion oder Refraktion beeinflusstes Abbild mittels einer elektronischen Kamera aufgezeichnet wird.
Im Unterscheid zur klassischen Deflektometrie werden beim vorliegenden Verfahren jedoch nicht Form, Neigung oder Krümmung der Prüffläche ermittelt, sondern es wird das lokale Streuverhalten der Oberfläche charakterisiert. Durch Bestimmung der lokalen Sichtbarkeit und Belichtung einer örtlich modulierten Mustersequenz können mit dem Verfahren Oberflächendefekte wie Kratzer, Schrammen, Verunreinigungen oder Einschlüsse detektiert werden.
Das Verfahren weist eine hohe Empfindlichkeit auf, die es ermöglicht, selbst solche Defekte zu erkennen, deren Abmessungen deutlich unterhalb des optischen Auflösungsvermögens des zur Beobachtung eingesetzten Kamerasystems liegen. Das Verfahren ist grundsätzlich sowohl in Reflexion als auch in Transmission sowie an ebenen und gekrümmten Oberflächen anwendbar. Ein wesentlicher und vorteilhafter Unterscheid zur klassischen Deflektometrie besteht darin, dass das Verfahren keinerlei geometrische Einmessung der Systemkomponenten erfordert und somit grundsätzlich sehr flexibel an unterschiedliche Prüflinge anpassbar ist.
Im Rahmen der bislang durchgeführten experimentellen Untersuchungen an spiegelnden und transparenten Messobjekte - insbesondere ebenen und sphärischen Spiegeln, einem breiten Spektrum optischer Linsen sowie beschichteten und lackierten Oberflächen - konnte gezeigt werden, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Oberflächen- und Volumendefekte mit hoher Empfindlichkeit detektiert werden kann. Insbesondere konnte durch vergleichende mikroskopische Messungen gezeigt werden, dass Defekte identifizierbar sind, deren Strukturbreite deutlich unterhalb des Auflösungsvermögens des zur Beobachtung eingesetzten Kamerasystems liegt. So konnten beispielsweise auf einer spiegelnden Oberfläche Kratzer mit einer Breite von 3,5 µm deutlich erkannt werden, obgleich die optische Auflösung mit 55 µm um ca. Faktor 15 darüber liegt. Punktförmige Defekte konnten in dieser Anordnung ab ca. 15 µm Durchmesser sicher erkannt werden.
Petz, M.; Fischer, M.; Tutsch, R.: Defekterkennung an optischen Funktionsflächen. In: T. Längle, F. Puente León, M. Heizmann (Hrsg.): Forum Bildverarbeitung 2018, Karlsruhe, 2018, S. 135-146, https://doi.org/10.5445/KSP/1000085290
Petz, M.; Fischer, M.; Tutsch, R.: Optische Inspektion spiegelnder und transparenter Oberflächen. In: VDI Wissensforum GmbH (Hrsg.): VDI-Berichte 2326, 6. VDI-Fachtagung „Optische Messung von Funktionsflächen 2018“, Düsseldorf : VDI, 2018, S. 107-118
Petz, M.; Fischer, M.; Tutsch, R.: Defekterkennung an spiegelnden und transparenten Oberflächen durch Abbildung einer örtlich modulierbaren Lichtquelle. In: tm - Technisches Messen, Heft 85 (2018) 2, S. 79-87, https://doi.org/10.1515/teme-2017-0088
Petz, M.; Fischer, M.; Tutsch, R.: Defekterkennung an spiegelnden und transparenten Oberflächen durch Abbildung einer flächenhaft modulierbaren Lichtquelle. In: DGAO (Deutsche Gesellschaft für angewandte Optik) 118. Jahrestagung (Tagungsband), 06.-10.06.2017 in Dresden, S. 46