Einfluss kindlicher Netzwerkbildungen auf die Arbeitswelt der Erwachsenen
Ingeborg Wender, Technische Universität Braunschweig
Problemstellung
Trotz jahrzehntelanger vielfältiger Maßnahmen zur Herstellung von Gleichstellung der Geschlechter besteht in der Arbeitswelt immer noch eine ausgeprägte Geschlechtersegregation, obgleich der Frauenanteil bei den Abitur- und Studienabschlüssen mittlerweile über 50% liegt. Zwar haben im letzten Jahrzehnt Angleichungen stattgefunden, dennoch sind viele Arbeitsbereiche nach wie vor vertikal wie horizontal nach Geschlechtern getrennt. So findet sich ein ausgesprochen geringer Anteil von Frauen in den Führungsetagen von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft (vertikale Diskriminierung).
Wie die taz (2011) meldet, beträgt der Frauenanteil in Führungspositionen der 160 börsennotierten Unternehmen bei den Vorständen 3%, bei den Aufsichtsräten 10%. In der Politik finden sich im Parteivorstand der regierenden Parteien folgende Frauenanteile, Stand Oktober 2009: CDU 25%, CSU 29%, FDP 19% (Kürschner 2009, S. 20). Den Statistiken der Wissenschaftsdaten im Internet sind folgende Frauenanteile zu entnehmen: Bei den Professuren: 18,2% (gesis a, 1.3.2011), bei den Rektoren und Präsidenten 11,6% (Stand 2009) (gesis b, 1.3.2011).
Für die horizontale Diskriminierung mögen folgende Beispiele sprechen:
Der Frauenanteil bei den Studierenden der Veterinärmedizin beträgt 85% (Stand 2008) (gesis c, 13.3.2011), dagegen liegt er in den Ingenieurwissenschaften bei 20,5% (Stand 2009) (mint, 4.3.2011). Die beliebtesten Ausbildungsberufe (Stand 2007) (EW Niedersachsen, 2010) sind immer noch bei den jungen Frauen medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte sowie Friseurin, bei den jungen Männern Kraftfahrzeugmechatroniker sowie Industriemechaniker.
Einher geht ein Lohngefälle zwischen den Geschlechtern von 23% (BRD 2010) (equal pay, 13.3.2011) zugunsten von Männern.
Für diese Schieflage werden in der Fachliteratur (u.a. Maccoby 2000, S.288 f., European Commission Justice, 2011, p.55) eine Reihe von Faktoren benannt,
u.a.
- unterschiedliche Interessen bei Mädchen und Jungen
- unterschiedliche Kurswahlen in Schulen und Ausbildungsberufen, die geschlechtstypische Berufsmöglichkeiten eröffnen
- Einfluss von Eltern und anderen Erwachsenen der Nah- und Fernumwelt, z.B. als Modellpersonen insbesondere auch in den Medien
- Stereotype und Vorurteile
- institutionelle Barrieren (z.B. spezifische Jobvermittlung)
- tradierte Rollenverteilung; Haus-, Erziehungs- und Pflegetätigkeiten werden den Frauen zugeordnet, volle Erwerbs- und Berufstätigkeit den Männern, Frauen bevorzugen daher wohnortnahe Jobs und Teilzeitbeschäftigungen (43% der Frauen arbeiten weniger als 31 Stunden wöchentlich, bei den Männern sind es lediglich 7% (Stand 2004) (Teilzeit, 4.3.2011).)
- höhere Karrierechancen für Männer auf Grund männlich orientierter Unternehmenskultur, "networking"
Beim letztgenannten Faktor werden Aspekte der Geschlechtersegregation angesprochen, denen nach Maccoby (2000, S. 289) ein besonderes Gewicht zugesprochen werden sollte. Geschlechtsspezifische soziale Netzwerke, die weit in die Kindheit zurückreichen, sollen für Phänomene in der Arbeitswelt mit verantwortlich sein. Ihnen sei - so Maccoby - bislang zu wenig Beachtung gezollt worden.
Soziale Netzwerke bestehen aus Interaktionsgeflechten, die aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen bzw. die Wechselbeziehungen zwischen Handlungspartnern beinhalten (Soziales Netzwerk). Unter dem englischen Begriff "networking" (networking, 4.3.2011) wird der Aufbau, die Aufrechterhaltung und Pflege von persönlichen und beruflichen Kontakten zwischen Personen verstanden, die dem Zweck dienen, persönlich und beruflich voneinander zu profitieren.
Bei der Analyse der Geschlechtertrennung in der Arbeitswelt zieht Maccoby (2000, S. 282-314) Parallelen zu der Geschlechtertrennung in der Kindheit. Die Segregation ist demnach den Jugendlichen aus ihrer Kindheit bekannt. Sie prägt die späteren Interaktionen in den geschlechterhomogenen Gruppen am Arbeitsplatz und spiegelt sich in deren Strukturen wider.
Maccoby (2000, S. 354) formuliert es so: "Geschlechterspezifisches Netzwerken in der Kindheit stellt Weichen für spätere Interaktionen und Networking in der Erwachsenenzeit. So baut die Sozialisation der Jungen in ihrer Peergroup Barrieren auf für zukünftige geschlechterheterogene Arbeitswelten."
Um diesen Einflüssen in der Arbeitswelt nachzuspüren, soll hier zunächst die Geschlechtertrennung in der Kindheit mit ihren jeweiligen geschlechtstypischen Kulturen dargestellt werden, um dann den Blick auf die Arbeitswelt und ihre Segregationstendenzen zu lenken. Dabei wird der Fokus bewusst auf die Gruppenperspektive gelegt, wohl wissend, dass dadurch leicht Polarisierungen und Übergeneralisierungen möglich sind. Bei der Betrachtung und Interpretation der Ergebnisse sollte daher bedacht werden, dass einzelne Individuen vom Gruppenmittel erheblich abweichen können.
Geschlechtertrennung in der Kindheit
Ab dem Alter von ca. drei Jahren finden wir bei Kindern die Tendenz, in Situationen, die nicht von Erwachsenen strukturiert werden, sich gleichgeschlechtlich zu gemeinsamen Aktivitäten wie Spielen zusammen zu tun (s. u.a. Asendorpf 2009, Maccoby 2000, Rohrmann 2008). Als eine notwendige wenn auch nicht hinreichende Bedingung dieser Tendenz führt Maccoby (2000, S. 199-209) die gleichzeitig sich entwickelnde Geschlechteridentität an. Jungen wie Mädchen beginnen ihre sozialen Verhaltensweisen vorrangig an einen gleichgeschlechtlichen Partner bzw. gleichgeschlechtliche Partnerin zu richten. Dafür muss die eigene Identität und die der anderen erkannt werden. Diese gleichgeschlechtlichen Präferenzen vertiefen sich mit dem Alter und erreichen mit ca. 10 Jahren ihren Höhepunkt. Mädchen entwickeln diese Tendenz etwas früher als Jungen, aber mit vier/fünf Jahren überholen die Jungen die Mädchen. Für sie wird es nun zunehmend wichtiger, mit gleichgeschlechtlichen Peers gemeinsame Aktivitäten zu starten. Rohrmann (2008, S. 63) fasst die Studien zur Geschlechtertrennung folgendermaßen zusammen: "Beobachtungen wie Befragungen zeigen übereinstimmend, dass das Zusammensein mit Kindern des eignen Geschlechts für einen großen Teil der Kinder im Kindergartenalter und noch mehr in der Grundschule sehr wichtig zu sein scheint." Und Fabes, Martin & Hanish (2004, S. 261) betonen, dass gleichgeschlechtliche Peer-Interaktionen den primären Peer-Sozialisationskontext für junge Kinder bereitstellt.
Die Jungen betreiben die Segregation ab ca. 5 Jahren konsequenter als die Mädchen, sie grenzen sich schärfer von den Mädchen ab als die Mädchen von den Jungen. Mädchen interagieren eher mit Jungen als umgekehrt. Sie interessieren sich sowohl für weibliche als auch für männliche Aktivitäten. Jungen meiden weibliche Spielaktivitäten, stattdessen unterstreichen sie männliche Verhaltensweisen und verhöhnen Jungen, die sich mit Mädchen einlassen. Maccoby (2000, S. 71) formuliert es so: "Ein wesentliches Element der Entwicklung zum Mann besteht zweifellos darin, nicht-weiblich zu werden, während Mädchen weiblich sein können, ohne beweisen zu müssen, dass sie nicht männlich sind."
Zahlreiche ältere und neuere Studien (siehe u.a. Asendorpf 2009, Bischof-Köhler 2006, Maccoby 2000, Rohrmann 2008) konnten belegen, dass es gerechtfertigt ist, in den kindlichen Gruppierungen von zwei sehr unterschiedlichen Kulturen zu sprechen. Diese Unterschiede zeigen sich vorrangig am Spielstil, bei den Themen der Rollen- und Phantasiespiele, in ihren Interessen und Aktivitäten, bei den Kommunikationsformen sowie bei der Bildung von Freundschaften.
Der Spielstil der Jungen ist rau, sie toben, jagen, ringen, boxen, zugleich sind sie wettbewerbsorientiert und dominant. Sie bevorzugen Orte außerhalb von Haus und Hof und halten sich gern auf öffentlichen Plätzen auf. Dabei bilden sie größere Gruppen. Mädchen hingegen präferieren Geschicklichkeitsspiele, lieben intimes Zusammensein und bewegen sich gern im Nahkreis des Hauses. Meist bilden sie kleine Gruppen.
Die Themen der Rollen- und Phantasiespiele konzentrieren sich bei Jungen auf Heldentum, Kampf und Abenteuer, bei Mädchen auf häusliche und schulische Inhalte des Alltags. Sie verkleiden sich gern und führen dabei glanzvolle Auftritte vor.
Interesse zeigen die Jungen vor allem für Abenteuerfilme und Abenteuerbücher. Als Aktivitäten präferieren sie insbesondere sportliche Betätigungen wie Mannschaftssport, der wettbewerbsorientiert und straff organisiert ist. Die Interessen der Mädchen sind vielfältiger, sie lieben romantische Themen, betreiben begrenzt Sport, gehen gern auf Shopping-Tour und sehen gern Liebesfilme.
Mädchen wie Jungen bilden ab 5/6 Jahren sowohl dyadische als auch größere Gruppierungen Gleichaltriger. Bei Jungen beruhen diese Beziehungen vorrangig auf den gemeinsamen Interessen und der Teilnahme an bestimmten, häufig riskanten Unternehmungen. Der Körperkontakt konzentriert sich auf Raufen und Balgen, weniger auf Intimität. Demgegenüber weisen sich die Freundschaftsbeziehungen der Mädchen durch Intimität, engen Körperkontakt und Austausch von Geheimnissen aus. Deren größere Gruppenbildungen sind jedoch unbeständig und wenig strukturiert.
Der Diskurs der Jungen stellt sich einstimmiger dar als bei Mädchen. Die Jungen äußern sich mehr in Befehlsform, stellen häufig Forderungen und lassen sich kaum auf Verhandlungen ein. Bei Mädchen findet sich eher ein wechselseitiger zweistimmiger Diskurs, sie versuchen offene Konflikte zu umgehen und Kompromissvorschläge auszuhandeln, sie verhalten sich insgesamt demokratischer.
Die geschilderten unterschiedlichen Interaktionsformen führen offenbar mit der Zeit zu größerer Abgrenzung der Geschlechter voneinander, sie vertiefen die jeweilige Geschlechteridentität und lassen ein Gruppengefühl in Richtung "Wir Jungen.." "Wir Mädchen.." wachsen, was wiederum Geschlechtsidentität stiftend wirkt.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass Kinder ab ca. 3 Jahren die Tendenz entwickeln, mit gleichgeschlechtlichen Peers gemeinsame Aktivitäten zu starten. Diese Tendenz erreicht mit ca. 10 Jahren ihren Höhepunkt. Die Gruppenbildung und gegenseitige Abgrenzung führt zu unterschiedlichen Kulturen. Diese unterscheiden sich insbesondere in den Dominanzhierarchien, Spielstilen, Themen von Rollenspielen, Austragen von Konflikten, Diskursstilen sowie den sportlichen und risikoreichen Aktivitäten.
Maccoby (2000, S. 44-46) spricht in diesem Zusammenhang von zwei Asymmetrien:
1. Die Jungen grenzen sich stärker von den Mädchen ab als umgekehrt.
2. Die Jungen distanzieren sich stärker von den Erwachsenen, indem sie sich zu größeren Bündnissen zusammenschließen als die Mädchen. Die Bündnisse dienen auch zur Tarnung riskanter Spiele und bieten kollektiven Schutz bei Regelverstößen, die sie im Kontext der Gruppe als erregend empfinden. Mädchen schotten sich den Erwachsenen gegenüber weniger stark ab, sie sind deshalb auch leichter zu beaufsichtigen.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Erfahrungen der Kindheit für die weitere Entwicklung insbesondere für den Eintritt in die Berufswelt?
Gruppenstrukturen und Interaktionsstile der Kindheit als ein prägendes Element in der Arbeitswelt der Erwachsenen
Folgen wir Maccoby (2000, S.239-281), so kommt es in der Adoleszenz zwar zu einer bereits in der Kindheit vorbereiteten intensiven, sexuell getönten Begegnung zwischen den Geschlechtern, die neue Wege des Austausches erschließt, aber dennoch werden die gewohnten Pfade der Trennung nicht gänzlich aufgegeben. Auf die sexuelle Begegnung in der Jugendphase soll hier nicht weiter eingegangen werden, stattdessen soll der Blick auf die folgende Phase der Berufstätigkeit gelenkt werden. Hier treffen die jungen Erwachsenen auf Segregationstendenzen und Charakteristika von Peergroups, die sie bereits aus der Kindheit kennen. Und die unterschiedlichen Interaktionsstile, die sich in den separaten Kulturen der Kindheit herausgebildet haben, beeinflussen die Art der Beziehungen, die sie als Berufstätige zu gleichgeschlechtlichen und andersgeschlechtlichen MitarbeiternInnen aufnehmen.
Wenn von einer Trennungstendenz der Geschlechter seit der Kindheit auszugehen ist und Gruppen mit männlichen Mitgliedern sich durch eine höhere Kohärenz auszeichnen als Gruppen mit weiblichen Mitgliedern, dürfte sich dies auch auf den Arbeitsplatz auswirken. Es würde bedeuten, dass es Frauen mehr erschwert würde, in Interaktion mit männlichen Mitarbeitern zu treten als im umgekehrten Fall, da Männer verstärkt zur Bündnisbildung neigen und sich gegen die Frauen abgrenzen. Frauen dürften demnach von ihnen eher als Mitglieder einer "out-group" wahrgenommen werden.
Durch die differierenden Interaktionsstile - rivalisierendes Verhalten und hierarchische Gruppenstrukturen bei den Jungen, kooperativer und demokratischer Umgang sowie Vermeidung von offenen Konflikten bei den Mädchen - erwerben die Jungen möglicherweise eine Kompetenz, die es ihnen erleichtert, sich in die hierarchisch strukturierte Arbeitswelt einzufügen. Damit könnten sie Vorteile für den beruflichen Aufstieg besitzen. Hingegen könnten Frauen durch ihre Art der Interaktionen besser gerüstet sein, neue Managementaufgaben zu übernehmen, die mehr kooperative und demokratische Arbeitshaltungen erfordern.
Schwierigkeiten könnten in gemeinsamen Dominanz- und Konkurrenzsituationen auftreten, in denen die jungen Frauen mit den Männern um einen Rang in einer gemeinsamen hierarchisch strukturierten Situation rivalisieren müssen. Bislang konnten Frauen wie Männer kaum Erfahrungen mit Situationen sammeln, in denen sie gegeneinander um Durchsetzung wettstreiten mussten.
Männliche Gruppenbildungen
Frauen finden gemeinhin schwer Zugang zu rein männlichen Arbeitsgruppen. So kommt es schnell zu Schwierigkeiten, wenn gemeinsame Essen anstehen, wenn Freizeitaktivitäten verabredet oder informelle Treffen vereinbart werden. Häufig - gern auch auf Dienstreisen - werden wichtige Fragen der Arbeit in Bars oder an Orten besprochen, die für Frauen unüblich und schwer zugänglich sind. (Jakobs 1995, Milwid 1990,) Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: "Jedes Jahr im Mai fährt das gesamte Management zum Angeln in den Norden. Der Ausflug kostet 100 Dollar für jeden Angestellten. (...) Ich weiß noch, dass ich in diesem Frühjahr (als ich Managerin wurde) in einem Gespräch zu meinem Chef sagte: "Ich nehme an, dass man mich nicht zum Angeln einladen wird." Ob Sie's glauben oder nicht, Anfang Mai gingen die Männer zum Angeln und alle Managerinnen bekamen von der Firma 100 Dollar ausbezahlt." (Milwid 1990, S. 71; zitiert nach Maccoby 2000, S. 297)
Dies ist ein Beispiel aus früheren Jahren, aber auch heute noch aktuell. Ich konnte dies kürzlich selbst erfahren. Eine Mitarbeitergruppe des Fachbereichs unserer Hochschule spielt einmal wöchentlich Volleyball. Ich bin meistens die einzige Frau, die mitspielt. Kürzlich hörte ich nun - ich hatte einige Male gefehlt - wie man sich für einen Kurzaufenthalt in einem Sportheim etwa 100 km von unserer Stadt entfernt verabredete. Die männlichen Spieler überlegten bei meinem Dabeisein, ob sie auch alle Volleyballfreunde benachrichtigt hätten. Ich wurde nicht angesprochen. Es war klar, dieser Ausflug war eine reine Männerangelegenheit. Erwähnt werden sollte, dass es sich um ältere Mitarbeiter handelte. Vielleicht schotten sich jüngere Männer heute weniger scharf ab.
Ein ähnliches Beispiel von Milwid mit aktuellem Bezug zu männertypischen Gruppengebaren mag die obige Tendenz noch unterstreichen. "Ich habe dieser Tage an einer Konferenz teilgenommen und unser Präsident schwadronierte lang und breit darüber, dass er uns allen einen Drink und eine Hure spendieren würde, wenn wir etwas Bestimmtes erledigten. Und ich sagte: 'Hm, das wird mir kaum weiterhelfen.' Und er sagte: 'Ach, das hatte ich ganz vergessen, ich dachte, wir Männer wären unter uns.' (Milwid 1990, S. 98; zitiert nach Maccoby 2000, S. 296)
Assoziieren wir nicht schnell bei diesem Zitat die Volkswagenaffäre der letzten Jahre, bei der auf "rein" männlichen Dienstreisen des Personalvorstands mit dem Betriebsrat ebenfalls Huren einbestellt wurden.
Weibliche Gruppierungen
Es gibt wenige Informationen über Ausschluss von Männern in weiblichen Gruppierungen am Arbeitsplatz. Offensichtlich liegt eine andere Situation als bei den Männern vor, da häufig Leitungsfunktionen von Männern besetzt sind (zum Beispiel Lehrerin/Rektor). Männer besitzen dadurch schnellere Beförderungsmöglichkeiten und sind weniger Schikanen ausgesetzt als die Frauen in den Männergruppen. Häufig werden den Männern schnell männertypische, funktionelle und damit wichtige Aufgaben übertragen wie Computerservice oder Aufsicht über das Chemikalienlabor. Auf privater Ebene kann es jedoch auch zu Ausschlüssen kommen, zum Beispiel beim Mittagessen, bei bestimmten Partys, allerdings erreichen sie nicht das Ausmaß wie bei den Männern. (Maccoby 2000, S. 299f)
Interaktionsstile und -inhalte
Zum Abbau von Spannungen und zur Stärkung sozialer Beziehungen werden am Arbeitsplatz viele informelle Gespräche geführt. Und hier lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen, so dass wir zwischen Frauen- und Männergesprächen unterscheiden können. (Tannen 1998) Dies betrifft vor allem die Gesprächsinhalte. Männliche Arbeitnehmer sprechen eher über Technik, Sport und Autos, Frauen dagegen über Frisuren, Mode oder über ihre Familien. Dadurch wird die Kontaktaufnahme für eineN gleichgeschlechtlicheN MitarbeiterIn erheblich erleichtert (er/sie kennt sich aus), für eineN gegengeschlechtlicheN MitarbeiterIn jedoch erheblich erschwert (er/sie kann nichts zum Gespräch beitragen).
Aber auch in den Gesprächsstilen und bei deren Interpretation zeigen sich Unterschiede. So wird der Humor auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht. Männer nehmen sich auf die Schippe, foppen sich gegenseitig, provozieren und tun feindselig. Frauen machen sich gern über sich selbst lustig. Weitere Unterschiede finden sich im Umgang mit Kritik. Männer äußern ihre Kritik direkt, Frauen indirekt, sie tragen sie eher abgeschwächt vor. Dies führt leicht zu Missverständnissen. Frauen tauschen gern Komplimente aus, betonen, dass ihnen dies oder das leidtun würde. Männer sind hingegen unsensibler.
Ein weiterer Unterschied findet sich bei Leistungsbewertungen. Männer versuchen sich selbst und ihre Leistung besonders hervorzuheben, Frauen betonen die kooperativ erzielte Leistung und stellen ihre Person dabei gern in den Hintergrund. Frauen meinen häufig, dass die geleistete Arbeit für sich spreche. Dies wird von männlichen Personalleitern gern als geringes Selbstvertrauen gedeutet. Dementsprechend wirkt es sich negativ für angestrebte Führungspositionen aus. (Maccoby 2000, S. 293-295)
Generell bedeuten diese Unterschiede für Frauen, dass sie sich - wenn sie eine neue Beschäftigung in männerdominierten Arbeitsbereichen antreten - nicht nur in einen neuen Job, sondern auch in eine neue Kultur einzuarbeiten haben. Milwid (1990, S.2; zitiert nach Maccoby 2000, S. 298) schildert ihre Erfahrungen folgendermaßen: "Tag für Tag habe ich in diesen Konferenzen gesessen und versucht, über die Witze zu lachen, mir die Namen aktueller Fußballer, Tennis- und Golfspieler einzuprägen - mit anderen Worten, ich habe versucht, mich gleichzeitig in einen neuen Job und in eine neue, männliche Kultur einzuarbeiten. Ich wusste, dass ich nicht zu ihnen passte und dass sie mich nicht ernst nehmen, aber ich war fest entschlossen, mein Bestes zu geben."
Wie in der Kindheit mobilisieren die Männer gewaltige Energien, um Frauen den Zugang zu ihren Gruppen zu erschweren.
Hierarchische Strukturen und Geschlecht
Der Frauenanteil ist im Management in den letzten Jahren stetig gestiegen und lag 2008 bereits bei über 30% (European Commission 2010, S. 29), dennoch sind Frauen selten Vorgesetzte von Männern. Viele Männer glauben, so meint Maccoby, (2000, S. 305 ff) an eine natürliche, männlich-dominante Beziehung der Geschlechter. Macht sei eng mit Maskulinität assoziiert. Frauen rufen als Vorgesetzte bei Männern Ambivalenzen hervor. Sollte sie als Autoritätsperson zu achten oder als weibliche Person zu behandeln sein? (Connel 1987) Die Grundbeziehungen "Chef/Sekretärin" bzw. "Arzt/Krankenschwester" stecken auch heute noch als stereotypisches Vorurteil in unseren Köpfen, obgleich Frauen sich als Führungspersonen bereits gut bewährt haben (Kanter 1993). Aber Frauen sind auf das Gerangel um Führungspositionen wenig vorbereitet. Die eher demokratische und auf freundschaftlich-intensive Beziehungen ausgerichtete kindliche weibliche Gruppenstruktur dürfte das Ausbilden von Machtmotiven eher verhindern. In einem weiblich geprägten beruflichen Umfeld verhalten sich Frauen denn auch unabhängig von Statusunterschieden stärker gemeinschaftsorientiert. (Jacobs 1995) Diese beruflichen Interaktionsmuster stellen damit Parallelen zu den Beziehungsgestaltungen in der Kindheit dar.
Männer wissen auf Grund ihrer Entwicklungsgeschichte, dass Führungsposition und Vertrauen eng zusammen liegen; Vertrauen fußt auf Bekanntheit, und auf Grund der kindlichen Gruppenerfahrungen wird gleichgeschlechtlichen Personen Bekanntheit zuerkannt. Deshalb achten männliche Vorgesetzte bei Stellenbesetzungen in ihrem engsten Umkreis auf gleiches Geschlecht. Dieser "Cloning-Effekt" sichert die Führungsmacht. Das durch die Ähnlichkeit des gleichen Geschlechts entstehende Vertrauen kompensiert das Maß an Unsicherheit, das mit dem eigenen hohen Status und den damit zusammenhängenden hoch riskanten Entscheidungen in dem Unternehmen verbunden ist. Bekanntheit führt zu Vertrauen, Vertrauen führt zur Beruhigung. (Kanter 1993)
Maccoby (2000, S. 310f) nennt u.a. zwei Faktoren, die für das Sicherheitsempfinden der Topmanager von Bedeutung sind:
- ein Vertrauensfaktor: Macht wird auf die beschränkt, die einem selbst ähneln (Cloning-Effekt)
- ein Beruhigungsfaktor: Die Gesellschaft gleichgeschlechtlicher Partner verleiht Sicherheit und bereitet Wohlbefinden.
Zusammenfassung: Kategorie Geschlecht am Arbeitsplatz
Meine Ausführungen sollten verdeutlichen, dass erwachsene Personen aus ihrer Kindheit ein Erbe mitbringen, das sie in ihre neuen Beziehungen am Arbeitsplatz hineintragen. Dabei orientierte ich mich vorrangig an den Aussagen von Maccoby (2000). Die kindlichen Netzwerke aus gleichgeschlechtlichen Freundschaften finden sich gleichermaßen als soziale gleichgeschlechtliche Gruppierungen in der Arbeitswelt. Und wie die Jungengruppe kohärenter, dominanter und wettbewerbsorientierter als die Mädchengruppe agiert, finden wir diese Merkmale auch in der männlichen Erwachsenengruppe, während in den Mädchen- und Frauengruppen eher eine demokratische, wechselseitige Struktur vorherrscht.
Sowohl die Jungen als auch die Männergruppen schotten sich gegenüber weiblichen Personen ab und versuchen ihnen den Zugang zu verhindern. Maccoby (2000, S. 370) stellt fest: "Hier wirkt die Kontrolle, welche die Jungengruppen über die Aktivitäten ihrer Mitglieder ausübten, um die Abgrenzung gegenüber den Mädchen zu sichern, deutlich nach; auch die Ablehnung oder Missachtung, mit der die Jungengruppen auf Beeinflussungsversuche des anderen Geschlechts reagierten, sind klar wiederzuerkennen."
Weiterhin wurde deutlich, dass sich die beiden Gesprächskulturen der Kindheit auch in der Arbeitswelt wiederfinden. Die Gesprächsinhalte unterscheiden sich bei informellen Zusammenkünften erheblich. Auf der männlichen Seite dominieren Themen zu Sport, Autos, Abenteuer und Technik; auf der weiblichen Seite Mode, Familie, romantische Filme.
Auf Grund des kindlichen Erbes sind Frauen deutlich benachteiligt, in Führungspositionen aufzusteigen, obgleich ihnen nicht die Kompetenz dazu fehlt, wie Studien zeigen konnten (Kanter, 1993, European Commission Justice, 2011, p. 11-12, 55). Männer haben gelernt, Machtstellungen auf- und auszubauen. In ihrem engsten Umfeld sorgen gleichgeschlechtliche Kumpane über den Cloning-Effekt und den Vertrauens-/Bekanntheits- sowie Beruhigungsfaktor dafür, die Position abzusichern. Hierzu Maccoby (2000, S. 313): "Falls hier Elemente der Kindheit nachwirken, dann spiegeln sie vermutlich die Tendenz der männlichen Hierarchien wider, sich durch exklusive und von wechselseitigem Vertrauen getragene Netzwerke zu perpetuieren."
Perspektive
Wie zu Anfang erwähnt, halten sich die geschlechterbezogenen Segregationsstrukturen am Arbeitsmarkt hartnäckig. Das zeigt die aktuelle Diskussion über eine gesetzlich vorgegebene Quote für Vorstände und Aufsichtsräte in Unternehmen. Ein Blick in andere Länder, z.B. Norwegen(European Commission Justice, 2011, p. 58) zeigt, dass Druck von gesellschaftlich-politischer Seite notwendig ist, um Veränderungen in Richtung geschlechterintegrativer Arbeitsverhältnisse in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zu bewirken. Materielle Anreize mögen zusätzlich Unterstützung bieten, wie bereits in der Wissenschaft praktiziert. Allerdings - und dies dürfte hier deutlich geworden sein - sind die kindlichen Erfahrungen mit Segregationstendenzen nicht zu vernachlässigen. Diese Tendenzen entwickeln sich - so die ExpertInnenmeinung (u.a. Asendorpf 2009, Bischof-Köhler 2006, Trautner 2008, Maccoby 2000) - auf dem Hintergrund von biologisch-genetischen Vorgaben, sozialen Lernerfahrungen und kognitiven Erkenntnissen bereits früh, ab ca. drei Jahren. Auf Grund dieses Wechselspiels von biologischen, psychologischen und sozialen Determinanten (bio-psycho-soziales Modell (Asendorpf 2009)) ist davon auszugehen, dass zwar Interventionen zu mehr Geschlechterintegration erfolgreich sein können, die Tendenz aber zur Segregation nicht völlig abgeschafft, wohl aber mehr oder weniger abgebaut werden kann. Diese Interventionen sollten bereits in der Kindheit ansetzen. Studien konnten zeigen, dass in so genannten progressiven Schulen, in denen die Gleichstellung der Geschlechter thematisch aufgegriffen wurde, Segregationstendenzen weniger ausgeprägt waren als gegenüber traditionellen Schulen (Maccoby 2000, S.45). Dies ist als Lichtblick zu interpretieren und ermuntert zu weiteren Aktionen in diese Richtung.
Ergänzend sollte auf eine wichtige Strategie, Gender-Balance in Führungspositionen herzustellen, hingewiesen werden, die der neue European Commission Report on Equality aufführt. So benennt er u.a. Entwicklung von Netzwerken, Coaching und Mentoring (European Commission Justice, 2011, p. 60). Dabei sollte berücksichtigt werden, dass es durchaus Erfolg versprechend ist, wenn die weiblche Mentee von einem männlichen Mentor begleitet wird. Hier wirken sich möglicherweise familiäre Netzwerke wie Vater-Tochter-Beziehungen positiv aus.
Quellennachweise:
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Fabes,R., Martin, C. & Hanish, L. (2004). The next 50 years: Considering gender as a context for understanding young children's peers relationships. Merill-Palmer Quartely, 50, 3, 260-273.
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Kanter, R. (1993, 2. Aufl.). Men and Women of the Corporation. New York: Basic Books.
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Trautner, H.M. (2008). Entwicklung der Geschlechtsunterschiede. In R. Oerter & L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie