Die allgemeinen Herausforderungen der partikulären Produkt- und Prozessgestaltung gelten auch im Bereich der Pharma- und Biopartikeltechnik, werden jedoch durch besondere regulatorische und infrastrukturelle Anforderungen ergänzt. Entsprechend hat dieser Bereich des iPAT seine Büros und Labore im interdisziplinären Zentrum für Pharmaverfahrenstechnik – PVZ. Hier erstrecken sich die Forschungsaufgaben des iPAT-Bereichs von der biologisch-pharmazeutischen Wirkstoffherstellung und -aufreinigung über die Formulierung von Arzneiformen bis hin zur Entwicklung und Anwendung innovativer Prozesse, auch im Bereich der Mikroapparate und Analytik.
In der biologisch-pharmazeutischen Prozesstechnik werden biotechnologische Prozesse von mikroskopischer bis makroskopischer Skala an der Schnittstelle zwischen Biotechnologie, Pharmazie und Partikeltechnik mit dem Ziel der Verbesserung von der Herstellung von Wirkstoffen untersucht. Dazu gehören die Erhöhung der Produktivität von Mikroorganismen in Kultivierungen mit Partikeln sowie die Optimierung von enzymatischen Prozessen mit zumeist immobilisierten Enzymen. Die Betrachtung von Mikroorganismen und Proteinpartikeln als biologische Partikel erlaubt die Anwendung von Erkenntnissen und Methoden sowohl aus den biologischen als auch den ingenieurwissenschaftlichen Wissensgebieten. Somit werden z.B. Zellwänden Kennwerte bezüglich ihrer mechanischen Eigenschaften zugeordnet, die sonst nur im Ingenieurwesen Anwendung finden, oder auch quervernetzte Proteinkristalle bezüglich des Einflusses ihrer Aminosäuresequenz und Quervernetzungsparameter auf ihre mechanischen Eigenschaften hin untersucht.
In der Formulierung und Verpackungstechnik fokussiert der Bereich auf die innovative Formulierung, die Charakterisierung der Herstellungsprozesse und die Untersuchung von Arzneiformen. Dabei werden die pharmazeutisch wirksamen Arzneistoffe mit Hilfsstoffen über definierte Prozesse wie bspw. Nanomahlung, Trocknung, Granulierung und Tablettierung und damit über die gesamte Prozesskette so zusammengeführt, dass sie handhabbare Arzneiformen ergeben. Ebenfalls werden Formulierungen und Prozesse so entwickelt und verbessert, dass die Produkte den Anforderungen wie dem Applikationsort, der Wirksamkeit/Bioverfügbarkeit oder der Freisetzungskinetik entsprechen und diese gegenüber üblichen Formulierungen verbessern. Hier ist es besonders wichtig, die Prozess-Struktur-Eigenschaftsbeziehungen dieser Verfahren zu erforschen, um Modelle zu entwickeln und zukünftig die bisher sehr empiriebasierte Entwicklung physikalisch begründet und vorhersagbarer realisieren zu können. Aktuell werden insbesondere die Herstellung und Weiterverarbeitung von Wirkstoffnanosuspensionen zu festen Formen, Granulations- und Beschichtungsprozesse sowie die Tablettierung (u.a. Fließ- und Kompaktierungsverhalten, Mehrstoffgemische, Mehrschichttabletten) eingehend untersucht. Einen weiteren Schwerpunkt stellen Konzepte und Methoden zur Herstellung von patientenindividuellen Arzneiformen dar, die durch 3D-Druck und neuartige Methoden zur Herstellung peroraler Arzneiformen realisiert werden.
In der PVZ-Abteilung Mikroapparate und Analytik wird zum einen die Auslegung und verfahrenstechnische Charakterisierung von mikrofluidischen Systemen untersucht, zum anderen sollen hier mit kleinsten Mengen Wirkstoff die Formulierung von Arzneistoffen entwickelt sowie Auslegungsparameter größerer Herstellungsprozesse (Scale up) ermittelt werden. Aktuelle Arbeiten untersuchen das Screening von Formulierungen sowie die Partikelklassierung inklusive der Analyse des Strömungsverhaltens in den Mikrosystemen (micro particle image velocimetry).
Zur Wissensgenerierung in diesen diversen Anwendungsfeldern kommen neben der Prozesstechnik (Mikrobioreaktoren bis Fermentern, Mühlen, Granulatoren, Compaction Simulator, Coater, etc.) in der Analytik neben Standardmethoden auch hochentwickelte Messgeräte wie beispielsweise das Rasterkraftmikroskop (AFM), Rasterelektronenmikroskop mit fokussiertem Ionenstrahl (REM-FIB), Raman-Mikroskop, Mikrocomputertomograph (µ-CT) und Nanoindenter zum Einsatz. Um ein besseres Verständnis insbesondere der Mikroprozesse zu erreichen, werden in allen Anwendungsfeldern auch numerische Methoden, wie bspw. die Diskrete Elemente Methode (DEM), verwendet. Wo passend und notwendig werden diese auch mit fluiddynamischen Simulationen gekoppelt (CFD-DEM).
So vielfältig wie die Aufgaben setzt sich auch das Team zur Erreichung der Forschungsziele im Bereich Pharma- und Biopartikeltechnik des iPAT zusammen: Verfahrenstechnische Ingenieure arbeiten gemeinsam mit Biotechnologen, Pharmazeuten und Pharmaingenieuren (Absolventen des Masterstudiengangs Pharmaingenieurwesen) gemeinsam an den Zielen, Arzneiformen personalisiert und kostengünstig herzustellen.
Abb.: Mikrosystem für Emulgierung (links), Granulat mit Wirkstoffnanopartikeln (Mitte links), mechanische Testung einer Tablette (Mitte rechts), Rasterkraftmikroskopische Aufnahmen von Escherichia coli (rechts).