Post aus… Lund

[Freemover, Auslandspraktikum, Auslandsstudium, Erasmus]

Physik-Studentin Natalie Müller berichtet vom Auslandspraktikum in Schweden.

Allgemeine Informationen

Hier lebe ich momentan:

Ich lebe derzeit in Lund, einer charmanten Studierendenstadt in der südschwedischen Provinz Skåne län (Schonen).

Das mache ich in Lund:

Ich absolviere ein wissenschaftliches Praktikum an der Universität Lund, genauer gesagt an der Faculty of Engineering. Dort arbeite ich in einem Team von Wissenschaftler*innen der Division of Engineering Geology. Hier wird an verschiedenen Projekten gearbeitet. Unter anderem beschäftigen wir uns mit dem EU-Projekt „Blue Transition“, das die Frage beantworten soll: „Wie kann meine Region klimaresistent werden?“
Am Vomb-See erforschen wir, wie zukünftig sauberes und nachhaltiges Trinkwasser für die Region Schonen bereitgestellt werden kann. Anfang des Jahres hat das Team in der Vomb-Anlage ein Überwachungssystem installiert, um die Infiltration von Seewasser zur Trinkwassergewinnung zu beobachten. Mit geophysikalischen Methoden analysieren wir, wo, wie und wie viel Wasser versickert und wie sich dieses Verhalten über die Zeit verändert.

Mein Aufenthalt dauert insgesamt:

… vier Monate. Ich habe mich eigenständig um ein Erasmus+-Auslandspraktikumsstipendium beworben. Den Kontakt zur Universität Lund und zur Division konnte ich über einen meiner Professoren an der TU Braunschweig herstellen.

Darum habe ich mich für einen Auslandsaufenthalt entschieden:

Ich wollte schon lange ein Auslandssemester machen, um neue Erfahrungen zu sammeln, eine andere Kultur kennenzulernen und mich selbst weiterzuentwickeln. Jetzt, kurz vor meinem Abschluss, wollte ich die Chance nutzen, bevor sich vielleicht später keine Gelegenheit mehr ergibt. Da ich für meinen Studiengang bereits alle notwendigen Vorlesungen im Master abgeschlossen habe, erschien mir ein Praktikum als ideale Möglichkeit, um den wissenschaftlichen Alltag hautnah zu erleben.

Leben vor Ort

So wohne ich in Lund:

Ich habe ein Zimmer in der Wohnung einer sehr freundlichen Frau gemietet. Sie lebt allein und vermietet das freie Zimmer seit drei Jahren regelmäßig an Studentinnen und Praktikantinnen aus dem Ausland. Wir teilen uns die gesamte Wohnung, und ich kann alle Geräte in der Küche, die Waschmaschine und Ähnliches mitbenutzen. Wir verstehen uns super, was das Zusammenleben sehr angenehm macht. Ich schätze die Ruhe, die ich hier habe, aber gleichzeitig auch, dass ich immer eine Ansprechperson für alle möglichen Fragen habe.

Was unterscheidet das Studieren / Forschen in Schweden von dem in Deutschland?

Zum Forschen selbst kann ich nicht wirklich etwas sagen, da ich aus Deutschland nur den Studierendenalltag kenne. Über das Studieren kann ich hingegen etwas berichten: Aus Interesse habe ich eine Vorlesung einer Mitarbeiterin meines Instituts besucht. Diese war deutlich interaktiver gestaltet als die Vorlesungen, die ich aus Deutschland kenne. Es wurden kurze Gruppenarbeiten oder kleinere Aufgaben eingebunden, die direkt gemeinsam besprochen wurden. So etwas ist mir aus meinem Fachbereich in Deutschland nicht vertraut. Auf Nachfrage habe ich erfahren, dass Lehrende hier verpflichtend pädagogische Kurse absolvieren müssen, um unterrichten zu dürfen, was die Gestaltung der Vorlesung natürlich maßgeblich beeinflusst.

Außerdem wird hier keine 90-minütige Vorlesung komplett ohne Pause durchgezogen. Nach etwa 45 Minuten gibt es immer eine 10- bis 15-minütige Pause, um aufzustehen und der aufkommenden Trägheit entgegenzuwirken. Das finde ich äußerst angenehm.

Besonders typisch für mein Aufenthaltsland ist:

Der Fahrradweg zur Uni: Lund ist eine sehr fahrrad- und fußgängerfreundliche Stadt. Überall gibt es Fahrrad- und Fußwege, die abseits der normalen Verkehrsstraßen verlaufen und diese durch Brücken und Tunnel kreuzen. Ich kann all meine Ziele erreichen, ohne den üblichen Verkehrsstress, den ich aus Deutschland kenne.

Das habe ich hier in den ersten drei Tagen gelernt:

Es gibt mehrere Dinge, die mir aufgefallen sind. Zum einen sprechen die meisten Schwed*innen hier sehr gut Englisch – egal ob an der Uni, im Supermarkt oder im Café und Restaurant. In dieser Hinsicht hatte ich bisher keine Probleme. Zum anderen wird hier fast ausschließlich mit Karte gezahlt. Tatsächlich habe ich bisher noch kein Bargeld gebraucht.

Die bisher größte Herausforderung während meines Aufenthaltes:

Während meines Aufenthalts lief bisher alles wunderbar. Die größte Herausforderung war eher die Zeit davor – vor allem die Unterkunftssuche. Lund ist eine Stadt, in der mehr als ein Drittel der Bevölkerung Studierende sind. Es gibt viele Wohnheime und andere Unterkunftsmöglichkeiten für Studierende, jedoch muss man sich frühzeitig darum kümmern. Die Herausforderung bestand darin, dass ich an der Uni nicht als reguläre Studentin eingeschrieben bin. Deshalb konnte ich mich nicht auf die Wohnheimplätze bewerben. Nach langem Suchen habe ich schließlich meine jetzige Unterkunft gefunden – und hatte dabei noch richtig viel Glück.

Diese Anekdote werde ich meinen Freund*innen zu Hause immer wieder erzählen:

Ich hatte mit einer Freundin einen Ausflug nach Ängelholm, einem Ort an der schwedischen Ostseeküste, geplant. Wir trafen uns am Bahnhof in Lund, um zusammen mit Zug hinzufahren. Anders als in Deutschland gibt es hier keine große Zuggesellschaft wie die Deutsche Bahn, die alle Regionen abdeckt. Stattdessen gibt es viele kleine Zuggesellschaften und die Tickets sind nur für die jeweilige Gesellschaft gültig.

Fast zeitgleich mit unserem geplanten Zug fuhr auf demselben Gleis ein Zug einer anderen Gesellschaft in dieselbe Richtung ein. Die Durchsagen am Bahnhof verwirrten uns und wir stiegen leider in den falschen Zug ein. Wir merkten das relativ schnell, aber es war schon zu spät, um noch auszusteigen. Als die Kontrolleurin kam, hatten wir natürlich beide kein gültiges Ticket für diese Zuggesellschaft. Sie war jedoch nett genug, uns nur ein Strafticket für uns beide zusammen auszustellen, was – auch geteilt – noch ziemlich teuer war. Das hat unseren Spaß aber nicht getrübt, und im Nachhinein ist es eine lustige Geschichte. Wir haben es schließlich doch nach Ängelholm geschafft und hatten einen schönen Tag, ohne Probleme bei der Rückfahrt. ;)

Das nehme ich von hier mit nach Hause:

Neben warmen Strickhandschuhen nehme ich mir auf jeden Fall einen Rucksack voller Kanelbullar mit – sie sind hier wirklich zu meinem liebsten Nachmittagssnack geworden. Vielleicht schaffe ich es sogar, ein einheimisches Rezept zu ergattern!

Gut zu wissen

Mein Geheimtipp für alle, die auch nach Lund reisen:

In der Nähe von Lund gibt es das Naturreservat Skrylle, das man gut mit dem Bus erreichen kann (ca. 30 Minuten Fahrt) und das zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert ist. Es gibt verschiedene ausgeschilderte Spazier- und Laufpfade, aber man kann auch einfach querfeldein durch das Reservat streifen. Bei meinem Besuch habe ich viele Läufer*innen gesehen, die die Strecken für ihr Training nutzen und teilweise extra aus Lund mit dem Bus anreisen. Ich selbst habe den Ausflug für einen gemütlichen Winterspaziergang in der Natur genutzt. Ein wirklich toller Ort zum Abschalten!

Diese landestypische Speise sollte man unbedingt probieren:

Definitiv sollte man Kanelbullar (Zimtschnecken) probieren. Zur Weihnachtszeit ist Glögg ein Muss – ein warmes Getränk, das perfekt für die kalte Jahreszeit draußen ist. Das Tolle daran ist, dass es Glögg auch oft in einer alkoholfreien Version gibt, sodass wirklich jeder mittrinken kann. Und natürlich darf man auch Pepparkakor (Pfefferkuchen-Plätzchen) in der Weihnachtszeit nicht verpassen. Bei uns im Büro stehen momentan immer welche bereit zum Naschen.

Diesen Tipp gebe ich anderen Studierenden/Forschenden, die ins Ausland gehen möchten:

Falls ihr darüber nachdenkt, ins Ausland zu gehen für ein Studium oder Praktikum, macht es auf jeden Fall! Ich habe bereits jetzt viel gelernt und mich auf persönlicher Ebene weiterentwickelt. Eine Gelegenheit, für längere Zeit im Ausland zu leben, bekommt man nach dem Studium nicht mehr allzu oft. Zudem bietet die Uni oft Unterstützung in Form von Erasmus-Stipendien und anderen Programmen. Der bürokratische und organisatorische Aufwand, der leider dazugehört und manchmal recht kompliziert wirken kann, ist es definitiv wert.