Reinheit und Unreinheit wurden in der altertumswissenschaftlichen Forschung vorrangig im Zusammenhang religiöser und kultischer Vorstellungen und Praktiken erforscht. Das interdisziplinäre und interepochale Netzwerk will die Perspektive auf das Phänomen in erheblichem Maße erweitern und neben der kultischen und religiösen vor allem die materiellen, natur- und siedlungsräumlichen, sozialanthropologischen, politischen und moralischen Dimensionen von Reinheit und Unreinheit untersuchen.
Unter der Beteiligung verschiedener Disziplinen (Alte Geschichte, Klassische Philologie, Klassische Archäologie, Theologie) will es erarbeiten, in welchen Lebenswelten und Diskursen sich Vorstellungen und Zuschreibungen von Reinheit und Unreinheit manifestierten, und überprüfen, ob diese Denk- und Ordnungskategorie in den Kulturen der antiken Mittelmeerwelt stets die gleiche Ausformung annahm und dieselbe Funktion erfüllte. Der zeitliche Rahmen spannt sich dabei vom klassischen Griechenland bis zur römischen Spätantike.
Das Netzwerk bildet die Pluralität der Ansätze und Perspektiven der „Un/Reinheits-Forschung“ in vier Schwerpunkthemen ab:
1. Körper und Körperhygiene
2. Umwelt und Umweltverschmutzung
3. Moral, Gesellschaft und Politik
4. Kult und Religion
Die einzelnen Dimensionen des Phänomens greifen permanent ineinander und beziehen sich aufeinander. Dies lässt sich beispielweise daran veranschaulichen, dass rituelle Reinheit stets auch eine körperliche oder natur- oder siedlungsräumliche Dimension besitzt. Solche Zusammenhänge gilt es zwischen den vier Clustern des Netzwerks herauszuarbeiten.
Die zentralen Leitfragen innerhalb der einzelnen Cluster beziehen sich auf die kulturtypischen Konzeptionen, Begriffe und Räume von Reinheit und Unreinheit, auf Praktiken des Reinigens und Verunreinigens, auf Reinheitsvorschriften und deren zugrundeliegenden Wertvorstellungen, auf Transgressionen sowie die Abwicklung von Störungen innerhalb des Ordnungssystems, in dem Reinheit und Unreinheit als wesentliche Unterscheidungskriterien fungieren.
Die besondere Struktur der Netzwerkarbeit ermöglicht es, die komplexen Zusammenhänge und Besonderheiten der kultur- und epochenspezifischen Ausformungen antiker Reinheits- und Unreinheitsvorstellungen aufzuarbeiten und sichtbar zu machen.
Leitung und Koordination:
Bernadette Descharmes (TU Braunschweig)
Mitglieder:
Mario Baumann (Dresden)
Sven-Philipp Brandt (Leipzig)
Chistopher Degelmann (Berlin)
Justine Diemke (Hamburg)
Johannes Eber (München)
Daniel Emmelius (Duisburg-Essen)
Christina Eschner (Erlangen-Nürnberg)
Steffi Grundmann (Wuppertal)
Jack Lennon (Leicester)
Elisabetta Lupi (Rostock)
Viktoria Räuchle (München)
Christian Rollinger (Trier)
Irene Salvo (Verona)
Christopher Schliephake (Augsburg)
Das erste Netzwerktreffen fand vom 16.-18. November 2023 statt.
Das zweite Netzwerktreffen fand vom 4.-6. April 2024 in Braunschweig statt.
Das dritte Netzwerktreffen fand am 28. Juni 2024 online statt.
Die öffentliche Tagung des Netzwerks findet vom 11.-14. September 2024 in Braunschweig statt. Das Tagungsprogramm finden Sie hier.