Gegenstand unserer Forschung sind Polysaccharide und ihre Derivate, aktuell insbesondere Celluloseether. Cellulose und Stärke, die bedeutendsten nachwachsenden Rohstoffe, werden seit etwa 150 Jahren auf vielfältige Weise modifiziert, um ihre Eigenschaften zu verändern und so neue Anwendungsfelder zu erschließen.
Solche Polysaccharidderivate, Produkte konsekutiver Reaktionen an einem polyfunktionalen Rückgrat, besitzen eine eine große strukturelle Vielfalt: hinsichtlich der Polysaccharidgrundstruktur (mittlere Kettenlänge (DP), der Molmassenverteilung (Mw/Mn), dem Substituententyp (neutral, kationisch, anionisch, amphiphil, Ether, Ester, organisch, anorganisch), dem Substitutionsgrad (DS) und der Substituentenverteilung. Letztere kann auf verschiedenen strukturellen Ebenen betrachtet werden: im Monosaccharidbaustein (Regioselektivität), aber auch in und über die Polymerketten, in Abhängigkeit von verschiedenen Komponenten wie Amylose und Amylopektin, in amorphen und kristallinen Bereichen, hinsichtlich Kettenenden und Verzweigungspunkten. Werden verschiedene Substituenten in einem Polysaccharid kombiniert, steigt die Komplexität weiter an.
Celluloseether finden z.B. Verwendung für Bau- und Klebstoffe, als Ionenaustauscher, Tablettiermittel, für Dialysemembranen, Kosmetika, Lebensmittel, aber auch für die Erdölförderung. Celluloseacetat kann für Zigarettenfilter, aber auch als Faser für Textilien verwendet werden, höhere Ester besitzen als thermoplastische Werkstoffe Bedeutung.
Ebenso vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten von Stärkederivaten: in Lebensmitteln und Kosmetika, als Gefrierschutz für Erythrozyten, als Blutplasmaexpander, als Papier- und Textilhilfsmittel, u.a.m.
Bedeutende physikochemische Eigenschaften sind die eingestellte Hydrophilie/Hydrophobie, Wasserbindung, Quellbarkeit und dickende Wirkung (Viskosität, thermoreversible Gelierung), Filmbildung, Flockung, Kristallisationsinhibition. Daneben zeigt sich, dass spezifische Wechselwirkung mit biologischem Zellmaterial auch Anwendungen im medizinischen Bereich eröffnet. Die Funktionalisierung kann darüber hinaus auch zur Bindung von Biosignalmolekülen dienen.
Ziel unserer Forschung ist die Entwicklung von Methoden zur differenzierten Bestimmung der Substituentenverteilungen in z.B. Celluloseethern. Aufgrund der Komplexität kann man solche Muster bevorzugt mit modernen massenspektrometrischen Methoden (MS) analysieren. Um Verteilungsmuster in den Polymer zu beschreiben, muss man den Beitrag der einzelnen Komponenten repräsentativer oligomerer Gemische quantifizieren. Als Mitglied im Graduiertenkolleg Nanomet (DFG, GK 1952/2) untersuchen wir die Einflussfaktoren auf die Ionenausbeute von Kohlenhydratstrukturen im Elektrospray-MS. Mitunter werden die Ergebnisse mit Molekül-Dynamik-Rechnungen verglichen.
Neben der primär analytischen Arbeit arbeiten wir an der Darstellung von blockartig strukturierten Glucanethern durch gekreuzte Transglycosidierung. Solche Polysaccharide sind durch direkte Umsetzung am Polymer nicht zugänglich und müssen daher neu aufgebaut werden. Hier wird dann die mittlere Blocklänge mittels ESI-MS analysiert.
Carboxymethylcellulose ist wie Polyacrylat ein Polyelektrolyt der den Methoden für die Neutralether nicht einfach zugänglich ist. Hier setzen wir die Kapillarelektrophorese ein, in Kooperation auch mit MS-Kupplung, um diese ionischen Analyte direkt zu trennen und zu quantifizieren. Alternativ wird ein Verfahren entwickelt, diese Polymere in baugleiche neutrale Cellulosether zu transformiern, um diese dann als solche zu charakterisieren.
In einer Zusammenarbeit mit dem Virginia Tech, USA, analysieren wir die bei der Oxidation von Hydroxyalkylcellulosen mit unserem methodischen Repertoire aus chemischer Modifizierung, Kapillarelektrophorese, Chromatographie und Massenspektrometrie die erfolgten strukturellen Veränderungen im Detail, so dass diese für die Arzneimittelapplikation interessanten Hydrogelbildner besser verstanden werden können.
Mittels der so gewonnen Strukturinformationen lassen sich z.B. im Fall von Methylcellulosen Zusammenhänge von Gelierungstemperatur und Methylverteilung aufspüren, die für eine gezielte Beeinflussung solcher Eigenschaften in der Synthese nutzen lassen.
Die Arbeit gleicht einem großen Puzzle und der Erkennung von Mustern in sehr komplexen Strukturen – was immer wieder spannend ist.