Motivation
Wie jede Branche unterliegt auch das Bauen permanent und in immer kürzeren Abständen vielfältigen Veränderungsmechanismen, die z.T. hochkomplex miteinander vernetzt sind. Dies betrifft nicht nur Neubautätigkeiten, sondern auch die Sanierung und Umnutzung von bestehenden Gebäuden. Sowohl interne (Nutzung neuartiger Baustoffe, Einsatz von technischen Hilfsmitteln etc.) als auch externe Veränderungen (Verschärfung von gesetzlichen Auflagen, globale Märkte etc.) beeinflussen das Bauen von heute. Akteure, die sich bisher auf die Erfüllung einzelner (Teil-)aufgaben während des Bauprozesses spezialisiert hatten, aber auch Experten anderer Fachdisziplinen werden in nie dagewesenen Maße in den Bauprozess integriert, stellen bisherige bewährte Vorgehensweisen im deutschen Bauwesen in Frage und verlangen nach einem neuen Blick auf den Bauprozess von heute.
Das Forschungsprojekt „OI+Bau – Optimierung der Initiierung komplexer Bauvorhaben“ (abgeschlossen 2018) hat den Fokus der Betrachtung auf die frühen Planungsphasen gesetzt, da hier wichtige Stellschrauben für den späteren Planungs- bzw. Umsetzungserfolg beeinflusst werden können. Ziel des Forschungsprojektes war ein interdisziplinärer Austausch zwischen den Fachdisziplinen Architektur, Immobilienmanagement und Baubetrieb, um den aktuell häufig zu erkennenden hohen Zeit- und Qualitätsverlusten mit einhergehenden Kostensteigerungen entgegen zu wirken.
Vorgehensweise
Ausgehend von einer intensiven Literaturrecherche hinsichtlich der aktuell herrschenden Meinungen zu den Themenfeldern Initiierung und Komplexität sowie den bestehenden theoretischen und praktischen Prozessen in der Initiierung von Bauvorhaben erfolgte eine Untersuchung und Dokumentation von aktuell vielfach erkennbaren Störungen, die sich über alle Planungs- und Bauphasen erstrecken und deren Aufkommen bereits in der Frühphase der Planung erkennbar ist. Im Rahmen der anschließenden Erfassung der Störungsursachen wurden die beteiligten Akteure der jeweiligen Phasen identifiziert und ihre Rolle für den Erfolg von Bauprojekten untersucht. Eine Analyse der Funktionsweise sozialer Systeme, zunächst im allgemeinen Sinn und daran anschließend deren Übertragung auf den Bauprozess, erlaubte die Ableitung von Optimierungspotentialen für die Praxis, die in die Sammlung von Methoden und Instrumenten zur Unterstützung der Durchführung der Phase der Initiierung integriert wurden.
Forschungsergebnisse
Die Literaturrecherche zu Forschungsbeginn verdeutlichte sehr zügig, dass keine allgemeingültigen Definitionen für komplexe Bauvorhaben oder die Initiierungsphase von Hochbauprojekten bestehen.
Daraus konnte einerseits geschlossen werden, dass in der Praxis die Inhalte und Vorgehensweisen einer Projektinitiierung sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Andererseits zeigt sich, dass die Komplexität von Projekten auf Grund ihrer Unikalität schwer generalisierbar ist.
Abhängig von internen oder externen Komplexitätstreibern kann es sich bei Bauprojekten, die in der Phase der Initiierung zunächst als überschaubar erscheinen, um komplexe Projekte handen bzw. kann jedes Projekt im weiteren Verlauf sehr dynamisch klare Züge von steigender Komplexität annehmen. Dies geschieht vielfach unabhängig von Bauvolumen bzw. Gebäudetypologie. Ein standardisierter Soll-Prozess war damit schwierig zu etablieren.
Diese Erkenntnis rückte den Fokus der Betrachtung auf die Untersuchung der Ursachen von Komplexität im Zusammenhang mit aktuell häufig auftretenden Störungen im Bauprozess. Die Identifikation dieser Störungen und der Versuch einer Rückverfolgung bis in die Frühphase des Projektaufbaus verdeutlichte, dass die Untersuchung der beteiligten Akteure von zentraler Bedeutung für den Umgang bzw. die Reduktion von Komplexität ist. Ein dadurch bedingter erster sozialwissenschaftlicher Exkurs erbrachte weitere wichtige Ergebnisse. Durch die Beleuchtung unterschiedlicher Faktoren in Bezug auf den Menschen als Individuum, als Akteur in Prozessen und den Menschen in seinem Verhalten in Gruppen wurden mögliche Spannungsfelder und Konflikttreiber identifiziert, die in Konsequenz zusätzliche Anforderungen in der Initiierung von Bauprojekten bedeuten. Die Erforschung des Menschen hinter dem Akteur hat ergeben, dass die Schnittstellenbetrachtung in der kleinsten möglichen Konstellation erfolgen muss. Die Auswahl der Kompetenzen der Akteure in Teams, die Etablierung effizienter Kommunikationsstrukturen und der Aufbau sinnvoller Konstellationen innerhalb der Teams ermöglicht eine Minimierung von Schnittstellen, klare Aufgaben- und Verantwortungsbereiche und letztlich ein hohes Maß an Reaktionsfähigkeit in sich stetig verändernden Planungs- und Bauprozessen.
Der im Rahmen des Forschungsprojekts „OI+Bau – Optimierung der Initiierung komplexer Bauvorhaben“ entstandene ‚Handlungsleitfaden Initiierung‘ weist daher nicht nur die für die Initiierung zu beachtenden Aufgabenfelder aus, sondern gibt auch Hinweise bezüglich möglicher soziologischer Einflüsse, des sogenannten „Faktor Mensch“.
Im Verlauf des Forschungsprojekts konnten weitere, zukünftige Forschungsfelder identifiziert werden. Insbesondere die frühzeitige Stärkung der Kompetenzen der Initiatoren / Bauherren in Zusammenarbeit mit Akteuren, die den Gesamtablauf der Projekte überschauen können, bilden eine zentrale Herausforderung. Es gilt die herausgearbeiteten sozialen Faktoren weiter zu erfassen und in noch stärkerem Maße auf den Bauprozess zu übertragen. Der Blick über den Tellerrand in andere erfolgreiche Industriezweige soll im Anschluss diese Forschungslücken weiter schließen.
Kooperationsangebot
Falls Sie Interesse an einer Zusammenarbeit im Rahmen geplanter Anschlussprojekte haben, würden wir uns über eine Kontaktaufnahme freuen. Gern diskutieren wir mit Ihnen weitere mögliche Schritte.
Projektleitung
Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE), TU Braunschweig
Kontakt Projektleitung
Michael Bucherer
m.bucherer@tu-braunschweig.de
+49 (0) 531 391 2531
Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen
Regina Sonntag
Darja Möhlmann
Felix Schippmann
Sönke Wahnes
Studentische Hilfskraft
Sulafa Isa
Förderzeitraum
01.01.2017 – 31.12.2018 (abgeschlossen)
Auslobung/Call
Zukunft Bau
Mittelgeber
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMUB)
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
Förderträger
Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau
Förderkennzeichen
SWD - 10.08.18.7-16.57
Forschungspartner
Industriepartner