Zur Unterstützung einer zielgerichteten Nutzung der konstruktiven Freiheiten additiver Fertigungstechnologien innerhalb verfahrensspezifischer Grenzen innerhalb der unterschiedlichen Aktivitäten in der Produktentwicklung werden am IK Methoden und Hilfsmittel zur Bereitstellung von Gestaltungswissen erforscht. Neben der Systematisierung und Aufbereitung von Gestaltungswissen wird die Erforschung von konstruktiven Potenzialen und Grenzen für unterschiedliche additive Fertigungsverfahren fokussiert. Es werden sowohl geometrie- und materialspezifische Gestaltungsgrenzen betrachtet als auch neuartige Möglichkeiten bspw. zur Integration von Sensoren mittels elektrisch leitfähiger Polymere theoretisch und experimentell untersucht. Die Aufbereitung und systematische Bereitstellung von Gestaltungsprinzipien, bspw. durch Bibliotheken, unterstützt das wissensbasierte Konstruieren.
Zu den entwickelten Methoden und Hilfsmitteln zur Wissensbereitstellung zählen u.a. Prinzipienkarten sowie physikalische und virtuelle Modelle zur Visulaisierung von Gestaltungsfreiheiten und zugehörigen Grenzen additiver Fertigungstechnologien. Die Hilfsmittel finden bspw. im Rahmen von Workshops sowohl im akademischen als auch industriellen Kontext Anwendung, um ein realistisches Verständnis für die Gestaltungsmöglichkeiten zu vermitteln.
Zur Entwicklung von alternativen Konzepten (Lösungsraumerweiterung) mittels additiver Fertigung werden Workshops entwickelt und durchgeführt. Neben der Lösungsfindung steht auch die Sensibilisierung der Möglichkeiten und Grenzen additiver Fertigungsverfahren im Vordergrund.
Zur Systematisierung und funktionsorientierten Bereitstellung von Gestaltungsprinzipien wurde am IK ein Graphendatenbanksystem entwickelt. Das System enthält konstruktive Möglichkeiten der additiven Fertigung. Neben allgemeinen Prinzipien sind auch spezifische Prinzipien zur Funktionsintegration mittels Multi-Material-Bauweisen enthalten.
Zur Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeiten der additiven Fertigung und zur Unterstützung einer systematischen und effektiven Bauteilentwicklung wird gemeinsam mit der AG Leichtbau und hybride Bauweisen an CAx-Methoden in den Bereichen der Geometrieerzeugung, der Strukturoptimierung und der Bauteilsimulation sowie der Materialcharakterisierung. Durch die Entwicklung und Anwendung rechnerunterstützter Methoden innerhalb der Produktgestaltung wird eine effiziente Produktentwicklung gewährleistet.
Zur Nutzung der Formfreiheit der additiven Fertigung werden zur Geometrieerzeugung neben den klassischen CAD-Werkzeugen auch alternative Ansätze eingesetzt (z.B. Software Grasshopper). Hierdurch ist bspw. eine effiziente Erstellung von regelmäßigen sowie unregelmäßigen und gradierten (Gitter-)Strukturen möglich. Zudem können Fertigungsgrenzen innerhalb der Logik berücksichtigt und lokale Variationen von Prozessparametern durch eine direkte Verknüpfung mit der Bahnplanung durchgeführt werden. Hierdurch wird eine einerseits die Herstellbarkeit gewährleistet und andererseits eine lokale Einstellung von Bauteileigenschaften möglich.
In Zusammenarbeit mit der AG Leichtbau und hybride Bauweisen wird an Algorithmen zur Modellerzeugung sowie an Optimierungs- und Simulationswerkzeugen geforscht, um eine fundierte Bauteilgestaltung zu ermöglichen. Die Grundlage für die Etablierung neuer Denkansätze in der Produktentwicklung und die Generierung innovativer Lösungen bildet die Konzeptentwicklung.
Weiterhin wird die Charakterisierung von additiv gefertigten Strukturen bzw. Bauteilen zur frühzeitigen Identifikation wesentlicher Charakteristika und Eigenschaften vorangetrieben, um eine Absicherung im Hinblick auf die Anforderungserfüllung sowie einen Vergleich zu konventionellen Bauweisen zu erhalten. Ein Ziel der Charakterisierung stellen die Aufklärung und Quantifizierung von geometrischen und prozessspezifischen Einflussfaktoren auf die resultierenden mechanisch-technologischen Eigenschaften bzw. Eigenschaften wie elektrische Leitfähigkeit dar.
Der Bauteilentwurf basiert auf einer langjährigen Erfahrung im Bereich der Bauteilgestaltung im Kontext der additiven Fertigung und wird durch die Entwicklung von Methoden und Hilfsmitteln unterstützt. Durch die Fertigung und Erprobung von Bauteilen mittels additiver Fertigung werden zudem die Gestaltungsprinzipien und -regeln kontinuierlich aktualisiert sowie das Prozessverständnis aufgrund der Quantifizierung der Einflüsse zwischen der Geometriefestlegung, der Prozessparameterwahl und der Fertigung auf die resultierenden Bauteileigenschaften erweitert. Ein Fokus im Bauteilentwurf liegt im Bereich der Funktionsintegration durch additiv gefertigte Multi-Material-Bauweisen.
Ein weiteres Forschungsfeld stellen additiv gefertigte akustisch wirksame Strukturen zur Reduzierung von Körper- oder Luftschall dar, indem die neuen Gestaltungsfreiheiten additiver Fertigungstechnologien gezielt zur Erfüllung akustischer Funktionen genutzt werden. Es werden sowohl Konzepte entwickelt als auch Bauteilkonstruktionen unter Berücksichtung spezifischer Fertigungsrestriktionen erzeugt. Neben der Realisierung integrierter Dämpfungsstrukturen mittels Multi-Material-Bauweise werden auch poröse Absorber untersucht.
Für die Realisierung von adaptiven Strukturen und Aktoren können Materialien mit Formgedächtniseigenschaften eingesetzt werden, welche bspw. durch eine thermische Aktivierung eine zuvor programmierte Form wiedereingestellt werden kann. Neben der Untersuchung von Gestaltungsmöglichkeiten und Grenzen potenzieller Anwendungsbereiche wird auch die lokale Integration von Aktivierungsmechanismen in Multi-Material-Bauweisen bspw. durch additiv gefertigte wärmeerzeugende Strukturen erforscht.
Im Bereich der additiven Fertigung von elektrisch leitfähigen Strukturen wird derzeit die Integration von wärmeerzeugenden Strukturen und von piezoresistiven Sensoren untersucht. Neben der Analyse des Prozess- und Geometrieeinflusses auf die elektrische Leitfähigkeit im Hinblick auf eine gezielte Einstellung des elektrischen Widerstands werden eine robuste Verarbeitung von elektrisch leitfähigen Polymere mit unterschiedlichen Füllstoffen und Kontaktierungskonzepte erforscht. Zudem werden potenzielle Anwendungsfelder (u.a. Klimatisierung, elektrische Leiterbahnen, Überwachungsfunktionen) für die additiv gefertigten Multi-Material-Bauweisen mit elektrischen Eigenschaften untersucht.
Die Entwicklung und Fertigung von Multi-Material-Bauweisen erfordert eine Betrachtung des Materialverbunds. Daher werden am IK Methoden zur Charakterisierung und zur Gestaltung des Materialverbunds erforscht. Zur Gestaltung des Materialverbunds werden verbundhaftungssteigernde Maßnahmen wie Formschlüsse oder Vorbehandlungsmaßnahmen untersucht. Hierdurch wird die Möglichkeit zur Integration materialspezifischer Funktionen im Hinblick auf die Kombination von wenig bzw. inkompatiblen Materialkombinationen möglich.
Aufgrund der begrenzten Bauräume additiver Fertigungsanlagen werden geeigente Fügeverfahren untersucht. Das Kleben wurde hierzu als geeignete Fügetechnologie identifiziert. Die Untersuchungen umfassen die Analyse von Prozesseinflüssen additiver Fertigungstechnologien (Kunststoff und Metall) auf die Klebeignung im Vergleich zu konventionellen Verfahren (u.a. Spritzguss, Druckguss) und die Ableitung von Regeln zum Kleben additiv gefertigter Bauteile. Darüber hinaus werden Methoden entwickelt, um schwer klebbare Kunststoffe auch ohne Vorbehandlungsmaßnahmen mittels Kleben fügen zu können.
Zur Erweiterung der Anwendungsbereiche additiver Fertigungstechnologien werden auch Modifikationen an bestehenden Anlagen durchgeführt sowie neue Anlagentechnik innerhalb von Forschungsprojekten entwickelt.
So werden etwa im Rahmen der Forschungsprojekte AGENT-elF und 3D4Space Additive Fertigungsanlagen für hochschmelzende mineralische Materialien wie Glas und Keramik entwickelt, mit denen die potentiellen Anwendungsfelder Additiver Fertigung erweitert werden sollen. Grundlage ist dabei in beiden Fällen das Verfahren der Materialextrusion, für das Anlagen mit Extrusionstemperaturen von über 1000°C entwickelt werden. Neben der thermischen Beanspruchung der Anlage durch die Verarbeitungstemperatur ist dabei vor allem auf thermische Spannungen im Bauteil zu achten.
Im Forschungsprojekt OpenBioPrint (Link) wird eine Fertigungsanlage entwickelt, welche die Verarbeitung von UV-aushärtenden Materialien ermöglicht. Das Ziel des Vorhabens war die Verarbeitung von Silikon mittels Digital-Light-Processing. Zudem sollte die Technologie für die Bürgerforschung zugänglich gemacht werden. Durch den modularen Anlagenaufbau ist daher eine individuelle Anlagenkonfiguration bzw. -anpassung an spezifische Anforderungen möglich. Somit wird die Grundlage für einen Open-Innovation-Prozess unter Einbeziehen der Bürgerforschung gelegt.