Keimstellen sind mikroskopisch kleine Bereiche des verformten Kristallgitters, wo sich - aus noch nicht vollständig nachvollzogenen Gründen - kleine, ungestörte Gitterbereiche anderer Ausrichtung bilden oder bereits vorliegen. Durch andauernde Anlagerung weiterer Atome infolge diffusionsähnlicher Vorgänge wachsen diese Keime soweit, daß sie auch makroskopisch als neue Körner sichtbar werden. Schließlich stoßen die Wachstumsfronten zusammen und kommen an dieser neuen Korngrenze zum Stillstand. Nach und nach werden auch die Reste des verformten Gefüges aufgezehrt, bis am Ende ein neues Korngefüge vorliegt. Antrieb für die Rekristallisation ist der Abbau der Energie, die in Form von Versetzungen im verformten Gefüge gespeichert ist.
Die folgende Abbildung zeigt einen realen Rekristallisationsvorgang, zusammengesetzt aus einer Folge von Einzelbildern. Objekt ist eine gewalzte Kupferprobe, die bei 121°C im Rasterelektronenmikroskop umwandelt. Die Darstellung ist zeitlich stark gerafft und dauert in Wirklichkeit ca. 100 Minuten. Da die Keime auch unter der Oberfläche liegen können, ist es möglich, daß das gleiche Korn an zwei dicht benachbarten Stellen als getrennte Körner zu entstehen scheint.
Rekristallisation von Kupfer bei 121°C im REM
Die zweite Abbildung zeigt einen Versuch, solch einen Prozess in einer Computer-Simulation nachzustellen. Dabei können die Bedingungen der Keimbildung (z.B. alle Keime bereits zu Beginn vorhanden oder andauernde Keimbildung; räumlich zufällige oder festgelegte Keimorte) sowie die Bedingungen des Wachstums (z.B. konstante oder sich verändernde Geschwindigkeit oder lokal unterschiedliche, aber konstante Geschwindigkeiten) durchgespielt werden. Im Vergleich zum experimentellen Ergebnis lassen sich dann Rückschlüsse auf die real vorliegenden Bedingungen gewinnen.
Zweidimensionale Simulation der Rekristallisation