Voraussetzung für das Auftreten der Umwandlung durch Rekristallisation ist eine ausreichende vorausgegangene Verformung sowie eine genügend hohe Temperatur. Letztere wird in einem Kalorimeter, das kontinuierlich aufheizt, irgendwann immer erreicht.
Um ein Metall zu verformen, bedarf es in den meisten Fällen sogenannter Versetzungen im Material. Dies sind linienhafte Baufehler des Atomgitters und eine gewisse Zahl von ihnen ist fast immer vorhanden. Beim Verformen wird die anfänglich geringe Zahl von Versetzungen durch Vervielfachung extrem gesteigert. Damit läßt sich das Metall immer stärker verformen. Schließlich hat die Zahl der Versetzungen aber so stark zugenommen, daß sie sich zunehmend gegenseitig behindern. Man spricht dann davon, daß das Metall verfestigt und es muß immer mehr äußere Kraft aufgebracht werden, um eine weitere Verformung zu erreichen.
Jede neue Versetzung speichert einen winzigen Energiebetrag, da sie das sie umgebende Kristallgitter verzerrt und dort ähnlich wie in einer gespannten Feder Energie hält. Nach der Verformung ist daher ein kleiner Teil (einige %) der zur Verformung von außen aufgebrachten Arbeit im verfestigten Metall gespeichert.
Erhöhte Temperatur bedeutet für die Atome des Kristallgitters eine deutliche Zunahme ihrer Beweglichkeit. Es finden sehr viele Platzwechsel-Sprünge statt, welche Atome an verformten Kristallgitterbereichen abbauen und an ungestörten Gitterbereichen wieder anbauen können. Ausgehend von sogenannten Keimstellen, die sehr kleine ungestörte Kristallgitterbereiche darstellen, wird auf diese Weise das verformte Materialgefüge komplett in ein ungestörtes Gefüge umgebaut. Man spricht von einem Keimbildungs- und Wachstumsprozeß.
Während dieser Umbauvorgänge werden die Baufehler "Versetzungen" herausgebaut und die in ihnen gespeicherte Energie wird frei. Trotz des individuell kleinen Energiebetrags der Einzelversetzung kann man diese Wärme aufgrund der großen Anzahl verschwindender Versetzungen in einem Kalorimeter messen.
Wärmefluß im Kalorimeter bei der Rekristallisation von Kupfer bzw. Eisen
Das Bild zeigt den während der Rekristallisation von einer reinen Kupfer- bzw. Eisenprobe ausgehenden Wärmefluß. Beide Materialien sind durch Walzen verformt und dabei um ca. 80% ihrer ursprünglichen Dicke reduziert worden. Die Lage der Peaks auf der Temperaturskala zeigt an, wie leicht oder schwer es ist, die Rekristallisation zu starten und sagt etwas über die Stabilität des verformten Zustands im jeweiligen Metall aus. Die Fläche des jeweiligen Peaks kann als Maß für die Zahl der ausgeheilten Versetzungen dienen. In beiden Parametern, Lage und Fläche, zeigen sich indirekt auch grundlegende physikalische Eigenschaften des Materials wie z.B. die jeweilige Gitterstruktur, die elastischen Eigenschaften und die Bindungsstärke.