Dissertation Janssen

Flora und Vegetation von Halbtrockenrasen (Festuco-Brometea) im nördlichen Harzvorland Niedersachsens unter besonderer Berücksichtigung ihrer Isolierung in der Agrarlandschaft

Titel:  Flora und Vegetation von Halbtrockenrasen (Festuco-Brometea) im nördlichen Harzvorland Niedersachsens unter besonderer Berücksichtigung ihrer Isolierung in der Agrarlandschaft / von Christiane Janßen

Verfasser:  Christiane Janßen

Erschienen:  1992

Umfang:  II, 217 S.: Ill., graph. Darst.

Schriftenreihe:  Braunschweiger Geobotanische Arbeiten ; 2

Hochschulschrift:  Zugl.: Braunschweig, Techn. Univ., Diss., 1992


Zusammenfassung:

Im nördlichen Harzvorland (Niedersachsen) wird die Flora und Vegetation aller noch vorhandener Halbtrockenrasen untersucht. Das Harzvorland weist eine interessante Übergangslage vom subatlantischen Klima im Westen zum subkontinentalen Klima im Osten auf.

Von 1985 bis 1989 wurden die kennzeichnenden Arten (insgesamt 177) aller 47 Rasen kartiert, wobei mit Hilfe von “Negativlisten” kartierungsbedingte Lücken weitgehend geschlossen werden konnten. Die wichtigsten Ergebnisse der floristischen Bestandsaufnahme sind:
 

  1. Jeder Halbtrockenrasen weist eine individuelle Artenkombination mit eigenen floristischen Besonderheiten auf.
  2. Es gibt nur wenige wirklich häufige Arten; lediglich 3 Sippen kommen auf allen untersuchten Rasen vor.
  3. Der floristische Vergleich der Halbtrockenrasen untereinander ergibt eine Gliederung in zwei gut charakterisierte Gruppen:
    1. In die “östlichen”, subkontinental getönten Rasen mit einer Vielzahl von Xerothermrelikten.
    2. In die “westlichen” Halbtrockenrasen, die durch häufigeres Auftreten von subatlantisch-submediterranen Arten charakterisiert sind, während die pontisch-pannonischen Arten fehlen

      Diese Gliederung erfolgt in nahezu identischer Weise, egal ob zur Bewertung alle notierten Arten herangezogen und Trennartengruppen gebildet werden, ob nur die pflanzengeographisch bedeutsamen Sippen (Kontinentalitätszahl > 5) berücksichtigt werden, oder ob floristisch-statistisch gearbeitet wird (Ähnlichkeitskoeffizient nach JACCARD, Clusteranalyse).
  4. Die Grenze zwischen den beiden floristisch definierten Gruppen von Rasen fällt (mit zwei Ausnahmen) mit der 600 mm-Isohyete zusammen.

  5. Die östlichen Rasen sind im Verhältnis zu den westlichen bereits bei kleinerer Fläche deutlich artenreicher. Sie werden mit wachsender Entfernung einander rasch weniger ähnlich, während die Ähnlichkeit der westlichen Halbtrockenrasen untereinander insgesamt größer und weniger abhängig von der Entfernung ist.

Für seltene bzw. stark gefährdete Taxa werden die Populationsgrößen auf den größeren östlichen Rasen ermittelt. Ebenso wird das Verteilungsmuster der Arten untersucht, wobei gezeigt werden kann, daß gerade offene Rasenstellen sowie deren Ränder und Böschungen eine erhebliche Bedeutung für den Artenschutz besitzen.

Die Vegetation jedes einzelnen Trockenrasenhanges wird beschrieben und mit pflanzensoziologischen Tabellen dokumentiert. Vegetationsstruktur und kleinräumige Verteilung von domierenden Arten werden mit Hilfe von Linienprofilen erfaßt. Wegen der Singularität seiner Artenzusammensetzung wird die Phänologie des Klotzberges eingehend studiert.

Die syntaxonomische Einordnung der Halbtrockenrasen erfolgt an Hand von Übersichtstabellen des Adonido-Brachypodietum der deutschen Trockengebiete sowie der Festuco-Brometea-Gesellschaften Niedersachsens. Im Untersuchungsgebiet sind die folgenden Syntaxa vertreten:
 

  1. Festucion valesiacae Klika 1931:

    erreicht mit dem Stipetum capillatae (Hueck 1931) Krausch 1960 die absolute NW-Grenze seiner Verbreitung im Heeseberggebiet.
  2. Cirsio-Brachypodion pinnati Hadac et Klika 1944:

    Vegetation der östlichen Halbtrockenrasen, wobei die Trockenrasenvegetation des Heeseberggebietes weitgehend zum Adonido-Brachypodietum pinnati (Libb. 1933) Krausch 1961 gehört.
  3. Mesobromion erecti (Br.-Bl. et Moor 1938) Knapp 1942 ex Oberd. (1950) 1957:

    im Gebiet nur mit dem Gentiano-Koelerietum Knapp 1942 auf den westlichen Halbtrockenrasen vertreten.

Charakteristische Kontaktgesellschaften der Cirsio-Brachypodion-Rasen sind Vicia tenuifolia-Bestände, Onopordetum acanthii, Cynoglossum officinale-Bestände sowie Falcario-Agropyretum. In den Lücken der Rasen entwickeln sich Ephemerengesellschaften (Alysso alyssoidis-Sedetum albi), die Sukzession verläuft über initiale Rosengebüsche des Berberidion.

Besonderes Interesse gilt der Isolierung der Halbtrockenrasen in der Agrarlandschaft. Die östlichen Halbtrockenrasen weisen zahlreiche Xerothermrelikte auf, die bereits wesentlich länger im Gebiet sind als die Mesobromion-Arten. Ihre kleinen Populationen sind sehr störanfällig und zeigen keinerlei Ausbreitungstendenz. Floristische Untersuchungen ergeben, daß Straßenränder keine vernetzende Funktion zwischen den kontinentalen Halbtrockenrasen erfüllen können. Da heute kein Diasporenaustausch mehr zwischen den Rasen durch Wanderschafherden erfolgt, muß damit gerechnet werden, daß gerade die seltenen und gefährdeten Xerothermrelikte weiter zurückgehen.

Die Naturschutzaspekte werden eingehend diskutiert, wobei die Gefährdung der im Untersuchungsgebiet vorkommenden Festuco-Brometeagesellschaften abgeschätzt wird.
 
 

  Artenreiche Rasen Artenarme Rasen
Gemeinsamkeiten größere Flächen eher steile Neigung mäßig stark verbuscht Steinkuhlen und Störstellen kleine Flächen überwiegend an Acker grenzend gering verbuscht offene Störstellen
Östliche Rasen überwiegend S-Exposition Keuper, Buntsandstein, Muschelkalk kurze Entfernung zum Nachbarn alle in Waldferne alle an Acker grenzend Niederschlag < 600 mm/a, überwiegend < 550 mm/a z. T. (ca. 40 %) auch kleine Flächen S-Exposition Buntsandstein kleine Entfemung zum Nachbarn alle in Waldferne Niederschlag < 600 mm/a überwiegend < 550 mm/a überwiegend steil geneigt
Westliche Rasen überwiegend SW-Exposition Kreide größere Entfernung zum Nachbarn direkte Waldnähe meist nicht an Acker grenzend Niederschlag > 600 mm/a häufig W-Exposition überwiegend Kreide größere Entfernung zum Nachbarn in Waldnähe meist flach geneigt Niederschlag meistens > 600 mm/a

Summary:

The flora and vegetation of the calcareous grasslands north of the Harz mountains in Lower Saxony was investigated. The investgation area is characterized by an interesting gradient from subatlantic climate in the western part to subcontinental climate in the eastern part. During a period of five years the characteristic species of all 47 investigation plots were documented. A characteristic feature is the specific and singular flora of each hill. Few species frequently occur throughout the area; only three species (Festuca ovina agg., Hieracium pilosella agg., Lotus corniculatus) grow on every investigated hill.
The analysis of the floristical data obviously devides the investigated plots into two groups:

1. The continentally influenced (eastern) steppes containing a high number of xerothermic relicts,
2. The western grasslands, which are characterized by subatlantic-submediterranean species, whereas the pontic-pannonic species are missing completely.

The composition of these groups is independent from the method of comparison. Classification based on the complete floristical data, or only considering the biogeografically important species, or the floristic-statistical approach gives almost identical results. The border between these two groups is built (with two deviations) by the isohyete of 600-mm-precipitation.
The flora of each of the continentally influenced steppes is specific and singular, while the western grasslands show a high similarity even if there are long distances to their neighbours. Furthermore the ajacent communities differ in both groups. The western grasslands usually grow in contact to woods, while the eastern steppes grow ajacent to agrarean used patches, which results in a higher influence of an input of nutrients.

The vegetation of the calcareous grasslands (Festuco-Brometea) is documented by means of phytosociological tables. According to the synoptic tables of the Adonido-Brachypodietum in the dry regions of Germany as well as the Festuco-Brometea communities in Lower Saxony the following syntaxa were found:

1. The Festucion valesiacae Klika 1931 is just reaching Lower Saxony in the eastern part of the investigation area with the Stipetum capillatae (Hueck 1931) Krausch 1960.
2. Most of the vegetation in the eastern part has to be classified as Cirsio-Brachypodion pinnati Hadac et Klika 1944, partly it clearly belongs to the Adonido-Brachypodietum pinnati (Libb. 1933) Krausch 1961.
3. The Mesobromion erecti (Br.-Bl. et Moor 1938) Knapp 1942 ex Oberd. (1950) 1957 is represented by the Gentiano-Koelerietum Knapp 1942 in the western part.

The population numbers of rare and endangered continental species were counted. Moreover distribution patterns of species show that blanks in the grasslands, borders and slopes are of great importance for the protection of species. The structure of the vegetation and local distribution patterns of predominating species are shown by means of line-profiles.

The isolation of the calcareous grasslands in the intensively used agrarean landscape is of particular interest. The continental steppes are all together rich in xerothermic relicts which already have a long persistance in the investigation area; but their small and mostly single populations are showing no spreading tendency. Floristical research evidently show, that roadsides do not have any network function, they do not work as corridors between isolated grasslands. Due to the abscence of grazing sheep going from hill to hill, the exchange of diaspores is no longer present, which may result in the extinction of the rare and endangered xerothermic relicts.