Die Arbeitsgruppe Walter ist im Grenzgebiet zwischen Organometall- und Koordinationschemie angesiedelt. Im Mittelpunkt stehen neben der Synthese und Charakterisierung neuer Verbindungen auch deren Anwendung im Bereich der Aktivierung und Funktionalisierung kleiner Moleküle bzw. in der Katalyse.
Um dies zu erreichen, setzen wir eine Vielzahl unterschiedlicher Liganden ein, die sich von klassischen Cyclopentadienylen bis zu neuen Pincer-Liganden erstrecken.
Exemplarisch seien einige Projekte beleuchtet, die wir in den vergangenen Jahren erfolgreich bearbeitet haben:
Sowohl das industrielle Haber-Bosch-Verfahren als auch die biologische N2-Fixierung durch das Enzym Nitrogenase verwenden eisenhaltige Verbindungen zur Aktivierung von elementarem Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2) sowie deren Umwandlung zu Ammoniak (NH3). Unser Interesse gilt der Synthese und Charakterisierung eisenhaltiger Modellsysteme, um die Vorgänge während der industriellen und/oder biologischen N2-Aktivierung abbilden zu können und so ein genaueres Verständnis des Mechanismus zu gewinnen.
Unsere Arbeitsgruppe veröffentlichte bereits verschiedene Eisen (Fe)-Komplexe in unterschiedlichen Oxidations- und Spinzuständen, wobei in den meisten Fällen das [Cp’FeI]2 (1; Cp’ = 1,2,4-Tri-tert-butylcyclopentadienyl) als Ausgangsverbindung dient. Einerseits führt die Reduktion von [Cp’FeI]2 zum Nitrido-Komplex 2, welcher mit H2 oder einer Protonenquelle Ammoniak bildet.[1] Auf der anderen Seite führt die Koordination N-heterozyklischer Carbene (NHCs) zur Spaltung des dimeren Eduktkomplexes unter Ausbildung der Spezies 3a-d. Verbindung 3a bindet unter reduktiven Bedingungen N2, wobei es sich um eine reversible Reaktion handelt.[2,3] Derzeit untersuchen wir die (elektro)chemische Reduktion von 1 und anderen Derivaten in Gegenwart kleiner Moleküle.
[1] M. Reiners, D. Baabe, K. Münster, M.-K. Zaretzke, P. Schweyen, M. Freytag, P. G. Jones, Y. Coppel, S. Bontemps, I. del Rosal, L. Maron, M. D. Walter, Nat. Chem. 2020, 12, 740-746. [2] M. Reiners, D. Baabe, K. Harms, M. Maekawa, C. G. Daniliuc, M. Freytag, P. G. Jones, M. D. Walter, Inorg. Chem. Front. 2016, 3, 250. [3] M. Reiners, D. Baabe, M.-K. Zaretzke, M. Freytag, M. D. Walter, Chem. Commun. 2017, 53, 7274.
Im Vergleich zur metallorganischen Chemie des Cyclopentadienyl-Liganden (Cp) ist die seines kleinen, aber nicht weniger interessanten Bruders, dem Pentadienyl-Ligand (pdl), eher unterentwickelt. Als Pionier im Bereich der Pentadienyl-Chemie gilt die Gruppe um Ernst et al., die dieses Ligandensystem in den 1980er Jahren in die wissenschaftliche Literatur einführte.[1, 2] Die aus einer formalen Öffnung einer C-C-Bindung resultierenden veränderten Molekülorbitallagen führen zu teilweise deutlich unterschiedlichen Beobachtungen in der Koordinationschemie des Pentadienyl-Liganden.
Diese unterscheiden sich teils deutlich von den Reaktionsprodukten, die bei der Umsetzung mit Cp-Liganden vergleichbarer Substitution erhalten werden. Diese Beobachtung ist nur ein Beispiel für das deutlich weniger gut vorhersagbare Verhalten von Pentadienylen gegenüber Cyclopentadienylen. Im Rahmen unserer Studien synthetisieren und charakterisieren wir neue Pentadienyl-Verbindungen, untersuchen deren Struktur und elektronischen Eigenschaften. Zusätzlich loten wir das Potenzial dieser Verbindungen in der Katalyse und der Materialchemie aus.[4,5] So wurden in einer Veröffentlichung von 2019 einige Cobalt- und Nickel-Pentadienyl-Komplexe mit verschiedenen offenen und geschlossenen Pentadienylen epdl (pdl‘, epdl = dmch (dimethylcyclohexadienyl), chd (cycloheptadienyl) und cod (cyclooctadienyl)) beschrieben,[6] und deren Potenzial als ALD- (atom layer deposition) und CVD- (chemical vapor deposition) Precursoren untersucht.[7,8]
[1] R.D. Ernst, Acc. Chem. Rev., 1985, 18, 56. [2] a) R.D. Ernst, Chem. Rev., 1988, 88, 1255. b) R.D. Ernst, Comments Inorg. Chem., 1999, 21, 285. [3] J. Raeder, M. Reiners, R. Baumgarten, K. Münster, D. Baabe, M. Freytag, P.G. Jones and M.D. Walter, Dalton Trans., 2018, 47, 14468. [4] M. Reiners, A.C. Fecker, M. Freytag, P.G. Jones and M.D. Walter, Dalton Trans., 2014, 43, 6614. [5] M. Reiners, D. Baabe, M. Freytag, P.G. Jones and M.D. Walter, Organometallics, 2016, 35, 1986. [6] M. Reiners, A.C. Fecker, D. Baabe, M. Freytag, P.G. Jones and M.D. Walter, Organometallics, 2019, 38, 4329. [7] Patent: PCT-EP2017-058488. [8] Patent: PCT-EP2017-067888.
Im Jahre 1990 wurde erstmals von Bercaw[1] und Okuda[2] über sogenannte constrained geometry-Komplexe und deren katalytische Anwendung berichtet. Diese Verbindungen enthalten einen π-Donorliganden (Cp), der über eine Brücke E mit der σ-Donoreinheit D verbunden ist, wodurch bei Koordination an ein Metallzentrum eine fixierte Geometrie hervorgerufen wird.
Der enantiomerenreine dianionische Amidosilylpentadienylligand 1a, der vom natürlich vorkommenden (1R)-(-)-Myrtenal abgeleitet ist, kann als constrained-geometry-Ligand dienen. Interessanterweise durchläuft die Verbindung eine thermisch induzierte 1,3-H-Umlagerung zum Isomer 1b, welches erfolgreich zur Synthese zahlreicher Seltenerd-Komplexe eingesetzt werden kann.[3]
[1] W. A. Piers, P. J. Shapiro, E. E. Bunel, J. E. Bercaw, Synlett, 1990, 1990, 74. [2] J. Okuda, Chem. Ber., 1990, 123, 1649. [3] K. Münster, A. C. Fecker, J. Raeder, M. Freytag, P. G. Jones, M. D. Walter, Chem. Eur. J. 2020, 26, 68, 16098-1611.
Bei den Pincer-Liganden handelt es sich um dreizähnige Ligandsysteme, die eine stabile meridonale Koordinationsumgebung am Metallatom hervorrufen. Während ihre Entdeckung eher zufällig durch Shaw and Moulton erfolgte,[1] beobachtet man gerade in den vergangenen 25 Jahren, wie Pincer-Liganden im Bereich der Aktivierung kleiner Moleküle und in der Katalyse eine besondere Stellung erlangten.[2] Vorteile dieses Ligandensystems liegen in seiner großen Flexibilität, einfachen Modifizierbarkeit und hohen thermischen Stabilität der resultierenden Metallkomplexe, die die Anwendung dieses Systems befördern.
Unsere Arbeitsgruppe entwickelte bereits vor einigen Jahren Pincer-Systeme, die auf dem Pyrrol-Rückgrat basieren und deren Koordinationschemie gegenüber Haupt- und Nebengruppenelementen wir konsequent untersuchen.[3] Hierzu zählten Studien u.a. hinsichtlich der elektronischen Struktur der resultierenden Metallkomplexe sowie deren Potential in der Stabilisierung niedervalenter Metallspezies und der Koordination und Aktivierung kleiner Moleküle (H2, CO2, N2).[3a, b]
[1] C. J. Moulton, B. L. Shaw, J. Chem. Soc., Dalton Trans. 1976, 1020. [2] (a) D. Morales-Morales, Rev. Soc. Quim. Méx. 2004, 48, 338; (b) L. Alig, M. Fritz, S. Schneider, Chem. Rev. 2019, 119, 2681. [3] (a) M. Kreye, A. Glöckner, C. G. Daniliuc, M. Freytag, P. G. Jones, M. Tamm, M. D. Walter, Dalton Trans. 2013, 42, 2192; (b) M. Kreye, D. Baabe, P. Schweyen, M. Freytag, C. G. Daniliuc, P. G. Jones, M. D. Walter, Organometallics. 2013, 32, 5887; (c) M. Kreye, J. W. Runyon, M. Freytag, P. G. Jones, M. D. Walter, Dalton Trans. 2013, 42, 16846; (d) M. Kreye, C. G. Daniliuc, M. Freytag, P. G. Jones, M. D. Walter, Dalton Trans. 2014, 43, 9052. [4] (a) M. Kreye, M. Freytag, P. G. Jones, P. G. Williard, W. H. Bernskoetter, M. D. Walter, Chem. Commun. 2015, 51, 2946. (b) N. Ehrlich, M. Kreye, D. Baabe, P. Schweyen, M. Freytag, P. G. Jones, M. D. Walter, Inorg. Chem. 2017, 56, 8415. (c) N. Ehrlich, D. Baabe, M. Freytag, P. G. Jones, M. D. Walter, Polyhedron 2018, 143, 83. (d) N. Ehrlich, M. Freytag, J. Raeder, P. G. Jones, M. D. Walter, Z. Anorg. Allg. Chem. 2021, 647, 1462.
Katalytische Reaktionen mit kostengünstigen und leicht verfügbaren 3d-Metallen stellen ein sehr intensiv erforschtes Forschungsgebiet dar.[1] Für katalytische Anwendungen sind insbesondere Alkyl-Spezies von besonderem Interesse, und damit auch Metallalkylverbindungen, die sich leicht und zuverlässig synthetisieren lassen und die über labile Liganden verfügen, die in sich in Gegenwart anderer mono- und bidentater Steuerliganden leicht substituieren lassen. In diesem Zusammenhang entwickelten wir ein zuverlässiges Syntheseprotokoll, um Verbindungen des Typs [(tmeda)MR2] (M = Co,[2] Ni;[3] R = CH2SiMe3, CH2CMe2Ph, CH2CMe3) zu erhalten
Nachfolgend untersuchten wir Ligandsubstitutionsreaktionen mit N-heterocyclischen Carbenen (NHCs) und Phosphanliganden und untersuchten die Reaktivität der gebildeten Co und Ni Komplexe in unterschiedlichen Umsetzungen wie Olefinpolymerisation, Hydrierung und dehydrierenden Kupplungsreaktionen
[1] M. Beller, Chem. Rev. 2019, 119, 2089. (Introduction to the special issue devoted to “First Row Metals and Catalysis”). [2] A. Enachi, D. Baabe, M.-K. Zaretzke, P. Schweyen, M. Freytag, J. Raeder, M. D. Walter, Chem. Commun. 2018, 54, 13798. [3] A. Enachi, M. Freytag, J. Raeder, P. G. Jones, M. D. Walter, Organometallics 2020, 39, 14549.