Herzprobleme schneller und besser diagnostizieren
Mit einem neuen Verfahren können Ärzte und Sanitäter Erkrankungen des menschlichen Herzens künftig schneller und besser erkennen. Das Vielkanal- Elektrokardiographie-System, das Forscher am Institut für Elektrische Messtechnik und Grundlagen der Elektrotechnik der Technischen Universität Braunschweig jetzt entwickelt haben, bietet entscheidende Vorteile gegenüber der konventionellen Elektrokardiographie. Ein Elektrokardiogramm kann, beinahe im Vorübergehen, kontaktslos durch die Kleidung gemessen werden. Da das neue System ähnlich wie ein Notebook tragbar ist, kann es insbesondere bei Notfällen die schnelle Diagnose vor Ort erleichtern und im Einzelfall sogar Leben retten.
Die Elektrokardiographie ist das medizinische Routineverfahren, mit dem Ärzte Herzkrankheiten diagnostizieren. Dabei wird das Elektrokardiogramm (EKG) erstellt, das die Herzaktivität in Form elektrischer Impulse aufzeichnet. Die Stärke und die zeitliche Struktur erlauben Rückschlüsse auf eventuelle Erkrankungen des Herzens. Auch das neue Verfahren basiert auf dieser Technologie. Anders als beim konventionellen EKG müssen aber die Elektroden nicht mehr aufwändig mit Kontaktgel oder Unterdruck an der Haut befestigt werden. Das kontaktslose EKG-System muss nur auf die Körperoberfläche gehalten werden, um die Herzfunktionen messen zu können.
„Fenster zum Herzen“
Gleichzeitig sind die Aufzeichnungen erheblich detaillierter als die bisherigen separaten Kurven. Das neue Gerät dient sozusagen als „Fenster zum Herzen“. Es kann Filme der elektrischen Herzaktivität mit bis zu 80 Bildern pro Sekunde erstellen. Die Messergebnisse werden als eine ganzflächige räumliche Darstellung, ähnlich einer Landkarte, ausgegeben. Eine solche Abbildung wird als „Body-Potential-Surface-Mapping“ bezeichnet. Dabei werden die gemessenen Spannungen farbig dargestellt. Aufgrund der speziellen Anordnung der Elektroden kann der Arzt sofort während der Datenaufnahme die Signale räumlich erkennen und den Körperregionen zuordnen. So wird die Herzaktivität auf der Körperoberfläche direkt sichtbar gemacht. Auf einen Blick vermittelt dieses Verfahren also zusätzliche medizinisch relevante Informationen. Die Datenaufnahme erfolgt mit dem integrierten Tablet-PC. Die Geräte können dadurch bei Rettungseinsätzen sofort an Ort und Stelle zur Verfügung stehen.
Wie funktioniert das neue EKG?
Das Verfahren nutzt den Effekt aus, dass durch die Herazaktivität auch an der Körperoberfläche Ladungsverschiebungen existieren. Ändert sich die elektrische Ladung im Körper, so kann dies wiederum die Ladung auf einer metallischen Platte, die sich in der Nähe des Körpers befindet, beeinflussen. Diese Platte benötigt dabei keinen direkten elektrischen Kontakt zum Körper. Dadurch ist die Messung auch durch Kleidungsschichten hindurch möglich. An die Platte wird ein hochempfindlicher Signalverstärker angeschlossen, der das Körpersignal verstärkt und so aufbereitet, dass es später auf dem Bildschirm dargestellt werden kann. Platte, Verstärker und weitere Signalverarbeitungselektronik sind in die kompakten Elektroden (30 mm Durchmesser, etwa so groß wie eine 2 Euro-Münze) integriert. Die Elektrode ist somit nur unwesentlich größer als eine Standard-EKG-Elektroden.
Diese neuartigen intelligenten Elektroden enthalten wesentliche Teile der Signalverarbeitungselektronik und werden kapazitive Elektroden genannt, daraus folgt die Bezeichnung kapazitives EKG (cEKG), engl. capacitive ECG (cECG). Das Institut für Elektrische Messtechnik und Grundlagen der Elektrotechnik hat sie gemeinsam mit Prof. G. Curio von der Charité in Berlin und Prof. K.-R. Müller vom Fraunhofer-Institut FIRST, Berlin, entwickelt.