Stegreif GTAS | 30 Stunden Flagge zeigen

[Arch Aktuelles]

 

Als Begleiterscheinung des sich erhitzenden politischen Klimas werden deutschlandweit vermehrt Debatten über die Beflaggung vor öffentlichen Gebäuden geführt.

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Parlamente, kulturelle Einrichtungen und Universitäten zeigen nationalstaatliche Flaggen, um die Solidarität der jeweiligen Institution mit Parteien in militärischen Konflikten zu äußern, goldene Fahnen, um sich als ‚die Vielen‘ für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen, oder pride flags, um sich zu einer diversen Gesellschaft und der Teilhabe marginalisierter Gruppen zu bekennen.

Letztere scheinen aus konservativen und rechtsextremen Kreisen besonders missbilligt zu werden. Die vorgebrachten Argumente sind unterschiedliche: manchmal werden rechtliche Argumente genannt, manchmal wird die Relevanz öffentlicher Einrichtungen, sich zu Diversität zu bekennen, in Zweifel gezogen, und manchmal werden diverse Lebensstile abgelehnt. So wird vornehmlich das Hissen von pride flags von Politiker*innen kommentiert, Einsprüche auf rechtlichen Wegen angekündigt, oder die Flaggen niedergerissen, beschädigt, und wie kürzlich in Neubrandenburg durch nationalsozialistische Symboliken ausgetauscht.

Auch an der TU Braunschweig kam es zu einem Vorfall. In der Nacht zum 5. August 2023, am Wochenende vor dem Christopher-Street-Day — einem Tag, an dem seit den 1970er Jahren den Widerständen queerer Gemeinschaften gegen  Diskriminierung, Verfolgung und Repressionen gedacht wird — wurde die pride flag vom Fahnenmast auf dem Universitätsplatz gestohlen und zerstört.

Das Präsidium und der Senat der TU Braunschweig stehen weiterhin zu der Beflaggung, die der Präsidentin Angela Ittel nach für mehr stehe als nur „sexuelle Vielfalt, sondern für den Mehrwert von Diversität in der Wissenschaft generell und die Vielfalt der wissenschaftlichen Denkschulen“Auch weiterhin ist deswegen eine Regenbogenflagge auf dem Universitätsplatz zu sehen. Zu den jährlich stattfindenden Diversity days wird die Regenbogenflagge durch die Progress pride flag, die von Valentino Vecchietti im Jahr 2021 entworfen wurde, ersetzt.

Dennoch geben die aktuellen Debatten und Aktionen Anlass für viele Gedanken: Welche Flaggen werden außerhalb von Gedenk- und Feiertagen, an denen die Beflaggung vor öffentlichen Einrichtungen durch Europa-, Bundes- und Landesflagge vorgeschrieben ist, gehisst? Was verbirgt sich hinter den Bräuchen, Stoffe vor öffentlichen Gebäuden aufzuhängen? Wer wird einbezogen durch die Hängung von welchen Symboliken und wer davon ausgeschlossen? Welche tieferen Konflikte über Gesellschaftsvorstellungen werden ausgetragen, wenn diese Stücke Stoff Reaktionen wie die oben beschriebenen auslösen? Welche Ideale von Gesellschaft werden durch diese öffentlichen Hinweise ausgedrückt? Gibt es andere Ideale oder Symbole, die an ihrer statt oder neben ihnen ausgedrückt werden? Was sagt das Flaggen über Formen der Governance aus, wenn damit institutionelle Interessen, Ansichten, und Ideologien auf individuelle, unter Umständen abweichende Interessen treffen? Wer identifiziert sich mit den Flaggen, sei es die europäische, die schwarz-rot-goldene, die niedersächsische, die der TU Braunschweig, oder einer pride flag und wer nicht?

Im Kontext von Diskussionen über das Recht auf Stadt für alle, fordert der Stegreif Sie auf, eine Flagge zu entwerfen, die ein nach Ihrer Ansicht wichtiges Anliegen repräsentiert. Wie sieht eine Flagge aus, die anstelle oder neben anderen Motiven vor öffentlichen Gebäuden wie der Universität gehisst werden könnte? Der Entwurf kann sich einer konkreten Forderung widmen oder Ausdruck einer spekulativen Gesellschaft sein.

Sämtliche Informationen mit Referenzen in deutscher und englischer Sprache finden Sie in den Downloads und ab 15 Uhr auf:

https://www.gtas-braunschweig.de/ongoing