Unser Gehirn ist ein äußerst erstaunliches Organ. Es nimmt Informationen von den Sinnesorganen auf, filtert, verarbeitet und interpretiert sie – jedoch nicht ohne auch Emotionen und Erfahrungen miteinzubeziehen. Theoretisch gesehen kann man also der eigenen Wahrnehmung nicht ganz trauen, da sie in geringem Maße immer verzerrt ist. Denn uns erscheint das Wahrgenommene als Wirklichkeit, tatsächlich ist die Abbildung von der Welt in unserem Kopf eine subjektive Interpretation der Realität. Rückblickend malte ich mir in meiner „Realität“ das Arbeiten in der Musikindustrie wahrscheinlich als eine Art fortlaufende, nimmer endende Feier aus, die aus unendlich vielen Konzerten bestand. Was meinem naiven 24-jährigen-Ich jedoch schnell bewusst wurde: Ein Musik-Unternehmen ist auch nur ein stinknormales Unternehmen wie jedes andere auch. Ein A&R-Manager würde an dieser Stelle wahrscheinlich Einspruch erheben, da er seine Realität als Musikmanager – jemand der ständig auf Achse ist, auf der Suche nach neuen, frischen Musiktalenten – als weitaus mehr als nur „stinknormal“ bezeichnen würde. Was ich hier wiedergebe, sind also lediglich meine subjektiven Wahrnehmungen und Erfahrungen, die ich auf Freelancer-Basis im Unternehmen gemacht habe. Fakt ist, dass Sony Music (derzeit) aus insgesamt 13 Labels besteht, deren Fokus auf unterschiedliche Künstler- und Produktgruppen liegt. Untergliedert ist die Musikfirma in verschiedene Unternehmensbereiche. Für mich relevant waren vor allem die Abteilungen Catalog und Media Concepts. Unser vierköpfiges „Online“-Team war in erster Linie dafür verantwortlich, die Produktmanager aus den zwei jeweiligen Abteilungen zu unterstützen, indem wir deren Produkte online veröffentlichten und vermarkteten. Zu meinen Aufgaben gehörten u.a.:
- Content Management: Hier ging es um die Entwicklung/Optimierung und die Distribution des Contents in die richtigen digitalen Kanäle
- Consumer Relation Management: Insbesondere die Betreuung der Social Community Channels stand hier im Vordergrund
- Owned Media Development: Hierunter ist der Reichweiten-Ausbau der digitalen Kanäle, also Webseiten, Facebook-Seiten, Newsletterverteiler usw. zu verstehen
In der Regel sah der Tagesablauf wie folgt aus: Die Veröffentlichung der neuen Kuschelrock (Media Concepts) und ein brandneues Box-Set von The Clash (Catalog) standen unmittelbar bevor. Während die eine Hälfte unseres Teams ganz klassisches Online-Marketing betrieb (Suchmaschinenmarketing, Affiliate-Marketing etc.), kümmerte sich die andere Hälfte um die oben genannten Aufgaben (Veröffentlichung der Neuerscheinungen auf der Kuschelrock- bzw. Clash-Homepage sowie über die Social Media Kanäle und den Newsletterverteilern, Ausbau der digitalen Reichweiten etc.). Zwar änderte sich von Woche zu Woche die Produktpalette, der Ablauf war jedoch immer derselbe. Ein geregelter Arbeitstag. Ein 9-17 Uhr-Job. Oder oft 10-18 Uhr. Von meiner Seite aus allerdings kamen weder neue sprudelnde Ideen, noch blickte ich über den Tellerrand hinaus. Nach 10-monatiger Arbeit fühlte ich mich wie ein kaputter Schallplattenspieler, der immer und immer wieder die gleiche Zeile abspielte. Nicht nur mein Enthusiasmus schwand langsam aber sicher dahin, sondern auch meine Leistungsfähigkeit und meine Leidenschaft dafür im „Backstage“ der Musikwelt zu arbeiten. Und dennoch – paradoxerweise möchte man fast meinen – war es für meine persönliche Entwicklung und für das Erkennen meiner eigenen Fähigkeiten eine schiere Notwendigkeit diese Erfahrungen gemacht zu haben. Und das aus vielerlei Gründen!