Im gerade gestarteten Verbundprojekt AUTOtech.agil soll eine offene Software- und Hardware-Architektur für das Mobilitätssystem der Zukunft geschaffen werden. Damit kann die Transformation des Straßenverkehrs aktiv mitgestaltet werden. Gefördert wird das Forschungsvorhaben mit etwa 25 Mio. Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Förderrichtlinie „Elektronik und Softwareentwicklungsmethoden für die Digitalisierung der Automobilität (Mannheim)“. An dem Verbundprojekt, das von der RWTH Aachen koordiniert wird, sind die zwei Institute für Regelungstechnik (NFF-Mitglied) und für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig beteiligt.
Der Einsatz von Elektronik und Software in Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen hat zu zahlreichen Innovationen geführt. Sicherheit und Effizienz des Straßenverkehrs konnten so signifikant gesteigert werden. Dies betrifft nicht nur einfache Funktionen wie Sicherheitsgurte oder Airbags, sondern vor allem anspruchsvollere Aufgaben bis hin zu hochkomplexen automatisierten Fahrfunktionen. Weitere signifikante Verbesserungen sind durch interdisziplinäre Forschung und Entwicklung erreichbar – wenn es gelingt, die Chancen von Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung synergetisch und systematisch im gesamten Mobilitätssystem zu nutzen.
Fokus auf Standardisierung von Schnittstellen und Modularisierung
Ziel und Motivation von AUTOtech.agil ist, eine offene Architektur für das Mobilitätssystem der Zukunft zu schaffen, sowohl für neue wie auch etablierte Fahrzeug- und Mobilitätskonzepte. Das Projektkonsortium umfasst 17 Lehrstühle von neun Universitäten, drei kleine und mittelständische sowie neun große Unternehmen unter der Leitung des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University. Ziel ist die Entwicklung einer offenen Software- und Elektrik-/Elektronik-Architektur mit den dazugehörigen Werkzeugen und Methoden. Dabei liegt der besondere Fokus auf der Standardisierung von Schnittstellen sowie der Modularisierung mit dem Ziel der Mehrfachverwendung, Aktualisierbarkeit und Erweiterbarkeit einzelner funktionaler Bausteine. Durch dieses Baukastenprinzip aller notwendigen Software- und Hardware-Elemente für Fahrzeuge aller Art können in der Forschung, Entwicklung, Produktion und vor allem in der Nutzungsphase leicht Ergänzungen und Erweiterungen umgesetzt werden.
Erweiterung auf das gesamte Verkehrssystem
Die im Vorgängerprojekt UNICARagil erforschte und entwickelte Architektur für fahrerlose Fahrzeuge bildet dafür eine wertvolle Basis. Sie diente auch der Gesetzgebung als Orientierung und findet sich in den Randbedingungen, die mit dem im Juli 2021 in Kraft getretenen Gesetz zum autonomen Fahren gesetzt worden sind, wieder. Im Folgeprojekt AUTOtech.agil erweitert das gewachsene Konsortium nun diese Architektur vor allem in den Bereichen Software und Werkzeuge zur Softwareentwicklung auf das gesamte Verkehrssystem. Auch infrastrukturbasierte Sensorik und kooperative Konzepte mit Leitwarten und Clouds werden vertiefend erforscht.
Das Projekt konzentriert sich exemplarisch auf drei Anwendungen, um die Konzepte und den gesellschaftlichen Mehrwert zu demonstrieren:
- Mobilität für Menschen mit alters- oder krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen;
- Den nachhaltigen Transport von kritischen Gütern wie beispielsweise Medikamenten;
- Eine „Schutzengel-Funktion“ für mehr Sicherheit von verletzlichen Verkehrsteilnehmenden, die beispielweise zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind
- Software-Architektur als Baukastensystem
Die modulare Architektur aus agil aktualisierbaren und erweiterbaren Software-Komponenten mit standardisierten Schnittstellen bietet eine nachhaltige Option, einzelne Domänen oder Fahrzeugkomponenten bis hin zur gesamten Funktionalität eines Mobilitätssystems zu einem bestimmten Zeitpunkt auf eine diensteorientierte Architektur umzustellen. Das bedeutet, dass die Architektur nicht wie bislang alle komplexen Funktionen eines spezifischen Fahrzeuges vereinen muss, sondern dass man diese wie bei einem Baukasten entsprechend zusammenstellen kann. Darüber hinaus werden wichtige Ergänzungen des heutigen Mobilitätssystems, wie Road-Side-Units (RSU), Leitwarten und Leitzentralen sowie kollektive und kooperative Cloud-Funktionen, in die zur Laufzeit aktualisierbare Architektur mit einbezogen.
Stärkung und Sicherung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts
„Die wegweisende Architektur, die wir in AUTOtech.agil entwickeln, bietet nicht nur die Chance, neue Mobilitäts- und Transportkonzepte zu gestalten, sondern trägt auch zu einer nachhaltigen Stärkung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Deutschlands bei. Innovative Software-Technologien werden hierzulande entwickelt, wichtiges Grundlagenwissen geschaffen und Fachkräfte für Morgen ausgebildet. Dadurch möchten wir zur Transformation der heutigen Automobilbranche aktiv beitragen und eine wertvolle Basis für neue Unternehmen schaffen, welche die zukünftige Mobilität gemeinsam mit den etablierten Unternehmen gestalten.“, erläutert Professor Lutz Eckstein, Gesamtkoordinator des Projektes und Leiter des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University. „Wir bauen in AUTOtech.agil auf der hervorragenden Zusammenarbeit im Projekt UNICARagil auf und konnten unser Konsortium um zahlreiche weitere namhafte Partner erweitern. Dadurch haben wir die einzigartige Chance, gemeinsam einen Grundstein für die Architektur zukünftiger Mobilität zu legen und die Führungsrolle des Automobilstandorts Deutschland langfristig zu sichern“, ergänzt der Gesamtkoordinator weiter.
Kontakt:
Richard Schubert
Technische Universität Braunschweig
Institut für Regelungstechnik (IfR)
AG Elektronische Fahrzeugsysteme
Hans-Sommer-Str. 66
38106 Braunschweig
Tel.: 0531 – 391 3841
richard.schubert(at)tu-braunschweig.de
www.tu-braunschweig.de/ifr
Raphael van Kempen
Institut für Kraftfahrzeuge
RWTH Aachen University
Steinbachstraße 7
52074 Aachen
Tel.: 0241 80-25599
raphael.vankempen(at)ika.rwth-aachen.de