Katrin Bauerfeld
Einfluss klimatischer Randbedingungen auf die Klärschlammbehandlung
Zusammenfassung
Weltweit ist der Bedarf an angepassten Lösungskonzepten für die Klärschlammbehandlung unverändert hoch. Eine Übertragung der in Deutschland und Mitteleuropa bewährten Behandlungs- und Entsorgungskonzepte auf geänderte Randbedingungen erfordert jedoch eine sachgerechte Anpassung der überwiegend unter hiesigen Verhältnissen erlangten Empfehlungen zur Bemessung und zum Betrieb einzelner Verfahrenstechniken. Die klimageographischen Voraussetzungen spielen dabei eine zentrale Rolle bei der Abwägung von Behandlungsvarianten für die biologische Stabilisierung, die natürliche Entwässerung und die Desinfektion.
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, ausgewählte Behandlungsverfahren für kommunale Klärschlämme bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit unter variierenden klimatischen Randbedingungen zu untersuchen und zu bewerten. Neben der getrennten biologischen Stabilisierung im aeroben und anaeroben Milieu, sowie der Brannt- und Löschkalkbehandlung, werden auch Verfahren zur natürlichen Entwässerung und Trocknung in konventionellen und Schilf bepflanzten Trockenbeeten sowie in Solartrocknern untersucht. Aufbauend auf existierenden Erfahrungen und Bemessungsansätzen wurden somit unter besonderer Berücksichtigung der Temperatur gezielt praktische Versuche zur Behandlung kommunaler Klärschlämme unterschiedlicher Qualität in Klimakammern bei 5 bis 30 °C durchgeführt. Aus diesen Ergebnissen werden systematisch Empfehlungen für die Bemessung und den Betrieb sowie eine qualitative Verfahrensbewertung abgeleitet.
Die Ergebnisse bezüglich der biologischen Behandlungsvarianten zeigen, dass eine Stabilisierung im aeroben Milieu prinzipiell sowohl bei niedrigen als auch hohen Umgebungstemperaturen unter Berücksichtigung entsprechender Behandlungsdauern erreichbar ist. Eine vollständige Stabilisierung, charakterisiert durch ein niedriges Restgaspotential, kann bei der anaeroben Behandlung bei Faultemperaturen über 25°C erreicht werden. Somit ist in warmen Klimaten eine anaerobe Klärschlammbehandlung effektiv auch in unbeheizten Faulbehältern möglich. Die Reduktion pathogener Mikroorganismen (Indikator Escherichia Coli) ist bei den jeweiligen Temperaturen im aeroben und anaeroben Milieu vergleichbar und erreicht nur bei Vergleichsmessungen unter thermophilen Bedingungen Desinfektionsraten, die eine uneingeschränkte landwirtschaftliche Verwertung nach US EPA Kriterien erlauben würde. Bei der Klärschlammkompostierung unter Zusatz organischer Strukturmittel hingegen spielt die Umgebungstemperatur lediglich in der Anwärmphase des Materials eine Rolle. Dauer und Intensität der Intensivrotte bleiben unbeeinflusst. Die Qualität des Kompostes wird vielmehr von der Verfahrensführung (Art und Anteil des Strukturmittels, Regelung der Sauerstoffversorgung und des Wassergehaltes, Umsetzen des Materials) bestimmt. Bei einer Selbsterhitzung auf mindestens 55°C werden dabei gute Desinfektionsergebnisse für eine uneingeschränkte stoffliche Verwertung erzielt.
Bei der Kalkbehandlung wird die für die Einstellung eines abbauhemmenden Milieus mit pH-Werten über 12,5 notwendige Kalkdosierung in erster Linie von der Qualität des Klärschlamms bestimmt. Die Umgebungstemperaturen üben lediglich einen Einfluss auf die weitergehende Trocknung des Materials aus. In Abhängigkeit des Feststoffgehalts beträgt die notwendige Dosierung bei der Branntkalkbehandlung entwässerter Schlämme 15 bis 45 % der Klärschlammtrockenmasse. Soll zusätzlich eine ausreichende Erhitzung des Klärschlamm-Kalk-Gemisches zur weitestgehenden Desinfektion erzielt werden, ist die Dosierung um den Faktor 1,5 bis 2,5 zu erhöhen. Für die Löschkalkbehandlung flüssigen Klärschlamms sind 5 bis 8 kg Ca(OH)2/m³ für eine ausreichende pH-Wert Verschiebung anzustreben. Ein entsprechend mit Kalk behandelter Klärschlamm ist dann unter seuchenhygienischen Kriterien uneingeschränkt stofflich verwertbar.
Bei Verfahren zur natürlichen Klärschlammentwässerung und -trocknung beeinflusst das Klima sachbedingt entscheidend die Wasserabgabe und somit den Trocknungsfortschritt. Die für die Dimensionierung bedeutende zulässige Feststoffflächenbelastung für bepflanzte und unbepflanzte Trockenbeetsysteme, angelehnt an großtechnisch erreichbare Entwässerungsziele, beträgt in kalten Klimaten im Vergleich zu hiesigen Bedingungen mit 15 bis 55 kg/(m²∙a) nur rund die Hälfte, während in tropischen Klimaten eine Steigerung um bis zu 100 % möglich ist. Der Einfluss des Klimas ist bei der solaren Klärschlammtrocknung am stärksten, hier können die Anlagen im Vergleich zu hiesigen Randbedingungen ganzjährig und mit der doppelten Feststofffracht beaufschlagt werden.
Insgesamt liefern die Untersuchungsergebnisse eine breite Grundlage für die Dimensionierung und Bewertung von Klärschlammbehandlungstechnologien in verschiedenen Klimaten. Die wichtigsten Verfahrens- und Entscheidungskriterien sind für den Anwender komprimiert aufbereitet, so dass die Leistungsfähigkeit der einzelnen Verfahren neben weiteren lokal sehr unterschiedlichen Einflussfaktoren, beispielsweise den gesetzlichen Anforderungen, dem vorhandenen Stand der Technik und des Wissens, den Verfahrenskosten und relevanten soziokulturellen Aspekten im Anwendungsfall individuell abgewogen werden kann. Zukünftig gilt es jedoch, die in dieser Arbeit erlangten Ergebnisse in der Großtechnik unter lokalen Randbedingungen zu validieren.