Julia Kopp
Wasseranteile in Klärschlammsuspensionen - Messmethode und Praxisrelevanz
Zusammenfasssung
Ziel dieser Arbeit war es, durch die Bestimmung der unterschiedlich gebundenen Wasseranteile in Klärschlämmen eine quantitative Aussage über das bei der maschinellen Entwässerung erreichbare Entwässerungsergebnis zu treffen. In der vorliegenden Fachliteratur zur Entwässerung ist die Bennung der Wasseranteile sehr unterschiedlich. So kommt es auch zu unterschiedlichen Aussagen bezüglich ihrer Abtrennung. Aus dem Fachgebiet der mechanischen Verfahrenstechnik ist es dagegen Stand des Wissens, dass bei der maschinellen Klärschlammentwässerung nur der freie, ungebundene Wasseranteil abgetrennt werden kann. Dieser Tatbestand wurde auch in der vorliegenden Arbeit für die Entwässerung von Klärschlämmen als Arbeitshypothese übernommen.
In dieser Arbeit gliedern sich sowohl der Theorieteil als auch der Ergebnisteil in zwei Abschnitte. Im ersten theoretischen Teil wurden die Grundlagen der Klärschlammentwässerung kurz dargestellt (Kap. 2). Der zweite Teil umfasst die Darstellung der Methoden zur Bestimmung der Wasseranteile und der zugehörigen Literaturergebnisse für Klärschlämme (Kap. 3). Bei den eigenen Ergebnissen wurde zunächst die thermogravimetrische Messmethode etabliert und der Kennwert TR(A) abgeleitet (Kap. 5). Im zweiten Teil der Ergebnisse wurde der Kennwert TR(A) großtechnischen Entwässerungsergebnissen (Kap. 6) und Entwässerungsmodellen (Kap. 8) gegenübergestellt. Des Weiteren wurden die Einflüsse auf den freien Wasseranteil untersucht (Kap. 7).
Im ersten theoretischen Teil dieser Arbeit wurden, neben den bereits genannten Grundlagen der maschinellen Klärschlammentwässerung, die in der Literatur veröffentlichten Entwässerungskennwerte zusammengetragen und bewertet. Die meisten bisherigen Entwässerungskennwerte ermöglichen leider nur eine qualitative Aussage über das Entwässerungsverhalten eines Klärschlammes. Die Kennwerte wurden in Basis- und Grundkenngrößen, Konditionierungskennwerte und Entwässerungskennwerte zur Beschreibung der Zentrifugation und Filtration eingeteilt. Grundkenngrößen sind die Kennwerte, die direkt die Klärschlammeigenschaften beschreiben oder als Bezugsgrößen herangezogen werden. Als Grundkenngrößen wurden der Trockenrückstand, der Glühverlust, der Überschussschlammanteil, die Partikelgrößenverteilung und die Wasseranteile im Klärschlamm aufgeführt.
Bei den Entwässerungskennwerten für die Konditionierung stand die Bestimmung des zur Konditionierung erforderlichen Polymerbedarfes im Vordergrund. Bei der Schlammkonditionierung werden durch den Einsatz kationischer Polymerprodukte die infolge der anionischen Oberflächenladung wirkenden elektrostatischen Abstoßungskräfte vermindert und eine Flockenbildung initialisiert. Dadurch wird die Wasserabgabegeschwindigkeit der Klärschlämme verbessert. Als Maß für die elektrostatischen Abstoßungskräfte und als Hilfsgröße zur Bestimmung der erforderlichen Polymerdosis wurde das Zetapotenzial gemessen. Es konnte gezeigt werden, dass der erforderliche Polymerbedarf durch die negative Oberflächenladung der Schlammpartikeln und durch den Gehalt an exopolymeren Substanzen bestimmt wird.
In dem zweiten Theorieteil wurden die Grundlagen der Wasserverteilung in Suspensionen, Methoden zur Bestimmung der Wasseranteile und Klärschlamm-Messergebnisse anderer Autoren zusammengestellt. In einer Klärschlammsuspension liegen verschiedene Wasseranteile vor, die sich in Art und Stärke ihrer Bindung zu den Feststoffpartikeln unterscheiden. Der größte Wasseranteil ist das freie Wasser, das weder an die Schlammpartikeln angelagert ist, noch durch Kapillarkräfte beeinflusst wird. Des Weiteren kann zwischen dem kapillar gehaltenen Zwischenraumwasser und dem so genannten gebundenen Wasseranteil unterschieden werden. Der gebundene Wasseranteil ist die Summe aus dem Adsorptionswasser und dem Zellinnenwasser. Die Zuordnung der Begriffe wird durch die eingesetzten Messtechniken der jeweiligen Autoren geprägt. Die größten begrifflichen Unschärfen bestehen bei der Bezeichnung des gebundenen Wasseranteiles.
Zur Bestimmung der Wasseranteile haben sich drei Messmethoden etablieren können: die Thermogravimetrie, die Differenzthermoanalyse und die Dilatometrie. Für die eigenen Messungen wurden zwei dieser Messmethoden zur Bestimmung der Wasseranteile eingesetzt, nämlich die Dilatometrie und die Thermogravimetrie. Das Messprinzip der Dilatometrie basiert darauf, dass die Wasserbindungskräfte des gebundenen Wassers so hoch sind, dass dieser Wasseranteil bei -25 °C nicht gefriert. Dementsprechend lässt sich der gebundene Wasseranteil aus der Differenz des Gesamtwassergehaltes der Probe und dem gefrorenen Wasseranteil ableiten. Die Messung des gebundenen Wasseranteils in Dilatomern ist einfach, aber fehlerbehaftet. Zudem ist die Menge des gebundenen Wasseranteils so gering und die Wasserbindungskräfte sind so hoch, dass der gebundene Wasseranteil bei der Beurteilung des Entwässerungsverhaltens eines Schlammes insgesamt von untergeordneter Bedeutung ist.
Bei der thermogravimetrischen Messung werden die Schlammproben unter strikt definierten Randbedingungen langsam getrocknet. Die gemessenen Trocknungskurven lassen sich hinsichtlich der einzelnen Wasseranteile auswerten. Es können drei Trocknungsabschnitte unterschieden werden. Im ersten Trocknungsabschnitt ist die Trocknungsrate, d. h. die Geschwindigkeit der Gewichtsabnahme nahezu konstant. In diesem Abschnitt wird das freie Wasser abgetrennt. Es wird durch Kapillarkräfte an die Oberfläche transportiert und verdunstet dort bei Kühlgrenztemperatur. Wenn alles freie Wasser abgetrennt ist, vermindert sich die Trocknungsrate, da zur Verdunstung des Zwischenraumwasseranteils zusätzlich die wirkenden Kapillarkräfte zu überwinden sind. Die Verdunstung findet im zweiten Trocknungsabschnitt zunehmend im Gutsinneren statt und der Feuchtigkeitstransport basiert auf der Dampfdiffusion. Im dritten Trocknungsabschnitt verdunstet der gebundene Wasseranteil. Der Übergang zwischen dem ersten und zweiten Trocknungsabschnitt, d. h. der Übergang zwischen dem freien und kapillar gehaltenen Zwischenraumwasseranteil wird durch den ersten kritischen Trocknungspunkt A markiert. Der zweite Trocknungspunkt B kennzeichnet den Übergang zwischen dem Zwischenraumwasser und dem gebundenen Wasseranteil.
Der erste Ergebnisteil dieser Arbeit befasst sich im Wesentlichen mit der thermogravimetrischen Messmethode. Zu ihrer Anwendung wurde eine verlässliche Messeinrichtung entwickelt. Bei der Auswertung der Trocknungskurven war es von besonderem Interesse, den freien Wasseranteil zu quantifizieren. Dazu wurde der Verlauf der Trocknungskurve über einer arithmetisch skalierten Abszisse aufgetragen. Solange freies Wasser in der Klärschlammprobe vorhanden ist, verläuft die Trocknungsrate linear. Sie kann als Tangente an einen Punkt A der Kurve beschrieben werden. An diesem Punkt A vermindert sich die Trocknungsrate aufgrund der stärkeren Bindungskräfte des kapillar gehaltenen Zwischenraumwassers an den Schlammpartikeln und die rechnerisch angelegte Tangente beschreibt nicht mehr den Kurvenverlauf. Aus dem zugehörigen Verhältnis (MasseWasser/MasseTR) der Probe an Punkt A lässt sich auf den Feststoffgehalt TR(A) schließen.TR(A) ist der aus dieser Messung abgeleitete neue Entwässerungskennwert und repräsentiert den freien Wasseranteil.
Für eine exakte Bestimmung des freien Wasseranteils ist es erforderlich, die Randbedingungen der Trocknung, d. h. vor allem die Lufttemperatur und die Luftaustauschgeschwindigkeit anzupassen und zu kalibrieren, da hierdurch die Lage des Trocknungspunktes beeinflusst wird. Es zeigte sich, dass der detektierte freie Wasseranteil um so geringer war, je höher die Trocknungsrate ausfiel. Der Grund liegt darin, dass infolge des hohen Energieeintrages zeitgleich freies und Zwischenraumwasser verdunsten konnten. Es zeigte sich weiterhin, dass die Konstanz der Randbedingungen, insbesondere der Trocknungstemperatur eine elementare Voraussetzung für die Aufnahme auswertbarer Trocknungskurven war.
Zur Kalibrierung der thermogravimetrischen Messeinrichtung wurden monodisperse Siliziumdioxidpartikeln mit Durchmessern von 2, 4, 6, 8 und 10 µm in Abhängigkeit von den Trocknungsrandbedingungen vermessen, da für solche idealen Suspensionen die Verteilung der Wasseranteile berechnet werden kann. Für eine Trocknungstemperatur von 35°C und einem Luftvolumenaustausch von 30 ml/min wurde eine sehr gute Übereinstimmung mit den nach SCHUBERT und PIETSCH berechneten Sollwerten erreicht.
Des Weiteren wurde die Strukturveränderung der Schlammproben während des Trocknungsprozesses mit Video überwacht und es wurden die Wasserbindungsenthalpien überschlägig berechnet. Bei Bindungsenthalpien von weniger als 0,28 kJ/kg lag das Wasser frei in den Schlammsuspensionen vor. Bis zu einer Bindungsenthalpie von 5 kJ/kg Wasser waren Kapillarkräfte wirksam.
Im zweiten experimentellen Teil der Arbeit wurden u. a. für 58 kommunale Faulschlämme und 15 simultan aerob stabilisierte Überschussschlämme die Verteilung der Wasserarten bestimmt. Im Mittel lagen die Werte von TR(A) für die Faulschlämme bei 27 - 28 % TR mit einem mittleren Polymerbedarf von 7 - 8 g/kg ; für die aerob stabilisierten Überschussschlämme lag TR(A) bei 22 - 23 % TR mit einer erforderlichen Polymerdosis von 5 - 6 g/kg. Bei der Gegenüberstellung des aus den thermogravimetrischen Versuchen abgeleiteten Kennwertes TR(A) mit den großtechnisch erreichten Entwässerungsergebnissen in Dekantern und Kammerfilterpressen zeigte sich, dass sich die Werte nahezu entsprechen. Die dieser Arbeit zugrunde liegende Arbeitshypothese, dass bei der maschinellen Entwässerung nur der freie Wasseranteil aus Klärschlammsuspensionen abgetrennt werden kann, konnte somit bestätigt werden. Es ist möglich, über den Kennwert TR(A) das maximal in großtechnischen Aggregaten erreichbare Entwässerungsergebnis mit einer Genauigkeit von
± 1,5 % TR zu prognostizieren. Hierin liegt ein entscheidender Vorteil des Kennwertes TR(A) im Vergleich zu anderen Entwässerungskennwerten.
Es wurde eine Vielzahl an Einflüssen auf die Verteilung der Wasseranteile in Klärschlämmen untersucht und bewertet. Hierzu wurden Versuche durchgeführt, um u. a. den Einfluss der in Kap. Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. aufgeführen Basiskennwerte, der Polymerkonditionierung, exopolymerer Substanzen und verschiedener Behandlungsverfahren wie der Schlammstabilisierung und die Auswirkungen einer mechanischen Desintegration auf das Entwässerungsverhalten der Schlämme zu charakterisieren.
Entgegen den ursprünglichen Erwartungen wurde durch eine Polymerkonditionierung die Verteilung der einzelnen Wasseranteile nicht verändert, woraus sich folgende Schlussfolgerungen ergaben: Durch die Polymerkonditionierung kann nur die Wasserabgabegeschwindigkeit gesteigert werden, nicht aber der Anteil des maximal maschinell entfernbaren bzw. freien Wassers. Das bedeutet natürlich auch: Wird bei der Entwässerung bereits das maximal erreichbare Entwässerungsergebnis TR(A) erreicht, kann dieses nicht durch den Einsatz anderer Polymerprodukte überschritten werden. Ein weiterer Aspekt ist, dass das kapillar gehaltene Zwischenraumwasser in den Porenräumen der Schlammpartikeln vorliegen muss. Das bedeutet wiederum, dass die Grenze der maschinellen Entwässerung vor allem durch die physikalischen Stoffeigenschaften der Klärschlämme und der Porosität der Schlammpartikeln bestimmt wird.
Weiterhin zeigte sich bei den Untersuchungen, dass die aufgeführten Basis- und Grundkennwerte, nämlich Glühverlust, Partikelgrößenverteilung und vor allem der Überschussschlammanteil signifikant das erreichbare Entwässerungsergebnis beeinflussen. Der Glühverlust bzw. der Anteil organischer Schlamminhaltsstoffe beeinflusst die Dichte, die Kompressibilität und die Menge des kapillar gehaltenen Zwischenraumwassers. Obwohl die Reproduzierbarkeit der Partikelmesstechnik oftmals unbefriedigend ist, wird davon ausgegangen, dass sich mit Abnahme der mittleren Partikelgröße und der Verteilungsbreite die Porenanzahl vergrößert und sich somit das erreichbare Entwässerungsergebnis vermindert.
Der größten Einfluss auf die Verteilung der Wasserarten ergibt sich aus dem Überschussschlammanteil, was auf die unterschiedlichen Partikelstrukturen der Primär- und Überschussschlammpartikeln zurückgeführt wird. Auch nach einer Schlammstabilisierung ist dieser Einfluss noch vorhanden.
Die in der Praxis vertretene Auffassung, dass sich durch eine Schlammstabilisierung das Entwässerungsverhalten eines Klärschlammes verbessert, konnte nur teilweise bestätigt werden. Es ist davon auszugehen, dass die partikulären Klärschlammeigenschaften durch die Schlammstabilisierung gleichmäßiger werden, wodurch der Betrieb einer Klärschlammentwässerung erleichtert wird. Für die meisten der untersuchten Schlämme zeigte sich jedoch, dass sich das erreichbare Entwässerungsergebnis TR(A) im Verlauf der Faulzeit um 2 - 3 % TR verminderte. Hinsichtlich der Entwässerung konnten zwei gegenläufige Effekte beobachtet werden. Einerseits verbesserten sich durch die Abnahme des Glühverlustes die Entwässerungseigenschaften eines Klärschlammes, aber gleichzeitig verminderte sich auch die mittlere Größe und die Verteilungsbreite der Schlammpartikeln, wodurch der Zwischenraumwasseranteil erhöht wurde und sich somit das erreichbare Entwässerungsergebnis verschlechterte.
Abschließend wurde der Kennwert TR(A) den Entwässerungsmodellen von BAHRS, DENKERT und NELLENSCHULTE gegenübergestellt. Es zeigte für die Modellansätze von DENKERT und NELLENSCHULTE jeweils eine direkte Abhängigkeit der Werte zueinander. Die Streuung der Messwerte war jedoch so groß, dass eine Prognose des erreichbaren Entwässerungsergebnisses kritisch zu hinterfragen ist.
Den von ZINGLER formulierten Ansprüchen an einen Entwässerungskennwert konnte der neu eingeführte Kennwert TR(A) standhalten. Demnach soll die Messgröße von möglichst wenigen Veränderlichen bestimmt werden, da TR(A) alleine durch die Menge des freien ungebundenen Wassers bestimmt wird. Über den Kennwert TR(A) ist ein objektiver Vergleich der Entwässerbarkeit verschiedener Schlämme möglich und vor allem können quantitative Aussagen für den technischen Betrieb getroffen werden.
Die vorgestellte Messtechnik zur thermogravimetrischen Bestimmung der Wasseranteile bzw. allein des freien Wasseranteils ist aufwendig und zeitintensiv, der hohe Aufwand erscheint aber vor dem Hintergrund einer genauen Prognose über das maximal maschinell erreichbare Entwässerungsergebnis für Klärschlämme als durchaus gerechtfertigt.