Thomas Dockhorn
CSB-Elimination in Abhängigkeit vom Typ des Belebungsbeckens
Zusammenfasssung
Den Gesetzen der enzymatischen bzw. mikrobiellen Kinetik folgend führen steigende Substratkonzentrationen zu einer Zunahme der Umsatzraten. Bei Betrachtung der Mischungsverhältnisse in Reaktorsystemen zeigt sich, dass volldurchmischte Reaktoren zu einer maximalen Verdünnung von Abwasserinhaltsstoffen mit der Folge vergleichsweise geringer Reaktorkonzentrationen führen, während sich im Fall einer idealen Pfropfenströmung eine vergleichsweise hohe (partielle) Reaktorkonzentration erreichen lässt. Aufgrund dieser Vorüberlegungen wurde die Arbeitshypothese formuliert, dass sich in Reaktoren mit Pfropfenströmung im Vergleich zu volldurchmischten Systemen entsprechend höhere Wirkungsgrade erzielen lassen sollten.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden vergleichende Untersuchungen an drei halbtechnischen Versuchsanlagen durchgeführt. Im Einzelnen handelte es sich hierbei um ein volldurchmischtes Becken, eine Kaskadenanlage sowie einen SBR Reaktor. Die Versuchsanlagen wurden im Hinblick auf das verwendete Abwasser, die hydraulische Belastung, das Schlammalter sowie die Temperatur unter gleichen Bedingungen betrieben. Als ein Schwerpunkt wurden die für einen weitergehenden CSB-Abbau erforderlichen Randbedingungen untersucht. Des Weiteren wurden die Prozesse Nitrifikation, Denitrifikation sowie vermehrte biologische Phosphatelimination einer vergleichenden Betrachtung unterzogen.
Im Fall der weitergehenden CSB-Elimination zeigten sich tendenziell abnehmende Ablaufkonzentrationen mit steigendem Schlammalter, sinkender Schlammbelastung sowie steigenden Behandlungstemperaturen. Hierbei war bei Schlammaltern von 4 und 20 Tagen eine Steigerung der Wirkungsgrade mit zunehmender Pfropfenströmung feststellbar. Bei einem Schlammalter von 8 Tagen war teilweise eine umgekehrte Abhängigkeit vom Reaktortyp erkennbar. Tendenziell zeigte sich in Richtung steigender Pfropfenströmung eine Zunahme der Prozessstabilität gegenüber äußeren Einflussfaktoren. Bei einem Schlammalter von 20 Tagen wiesen das volldurchmischte Becken sowie die Kaskadenanlage im Vergleich zum SBR eine im Mittel um rund 12 % bzw. 7 % höhere Konzentration an gelöstem CSB im Ablauf auf.
Hinsichtlich der Nitrifikation konnte ebenfalls ein positiver Einfluss des Reaktortyps auf die NH4-N-Ablaufkonzentrationen beobachtet werden. Die mittleren Ablaufwerte aller Anlagen lagen allerdings in einem derart geringen Konzentrationsbereich (<< 1 mg/L), dass dem Ergebnis keine hohe Praxisrelevanz beigemessen wurde. Lediglich bei einem Schlammalter von 4 Tagen (partiell unvollständige Nitrifikation) zeigten sich deutlich geringere Ablaufwerte der Kaskadenanlage im Vergleich zum volldurchmischten Becken.
Bei der Denitrifikation war eine Zunahme der Denitrifikationskapazität mit steigendem Schlammalter festzustellen. Ferner konnte wiederum ein höherer Wirkungsgrad des Prozesses in Richtung zunehmender Pfropfenströmung bei Schlammaltern von 4 und 20 Tagen beobachtet werden. Die maximal erreichbaren mittleren Unterschiede lagen hierbei im Bereich von rund 10 % in Bezug auf die Denitrifikationskapazität.
Im Fall der vermehrten biologischen P-Elimination war ein signifikanter Einfluss des Reaktortyps auf den Prozess erkennbar. Hier konnte im SBR selbst bei einem Schlammalter von 20 Tagen ein rund 90%iger Wirkungsgrad der P-Elimination ermittelt werden. Die beiden kontinuierlich betriebenen Anlagen zeigten hingegen unter diesen Bedingungen nur noch einen Wirkungsgrad von etwa 36 % bzw. 42 %.
Anhand mathematischer Simulationen einzelner Abwasserreinigungsprozesse sollte überprüft werden, inwiefern sich die anfangs aufgestellte Arbeitshypothese anhand eines einfachen kinetischen Modells verifizieren lässt und ob anhand dessen ein Abgleich mit den Betriebsergebnissen erfolgen kann. Die Simulation wurde u.a. als Instrument gewählt, um die idealisierten "gleichen Ausgangsbedingungen", die sich im Fall der Versuche nicht realisieren ließen, zu schaffen. Es wurden die drei Reaktortypen volldurchmischtes Becken, Kaskade aus zwei Mischbecken sowie SBR untersucht.
Um den CSB-Abbau insbesondere im Hinblick auf den Einfluss des Schlammalters adäquat beschreiben zu können, wurde dieser anhand eines auf Wachstumsraten basierenden Modells untersucht. Die Unterteilung des CSB erfolgte in vier unterschiedlich rasch abbaubare Fraktionen. Die maximalen Wachstumsraten der auf den einzelnen Fraktionen wachsenden Mikroorganismen wurden (für 15°C) mit 4,86 d-1 (F1), 1,60 d-1 (F2), 0,77 d-1 (F3) sowie 0,15 d-1 (F4) ermittelt. Die zugehörigen kM-Werte lagen zwischen 12,5 mg/L und 19,8 mg/L. Es konnte gezeigt werden, dass sich anhand des gewählten Modells der postulierte Zusammenhang zwischen Reaktortyp und Ablaufergebnis sowie die im Rahmen der vergleichenden Untersuchungen ermittelten Ergebnisse verifizieren ließen.
Ergänzend wurde für die Nitrifikation als Fallstudie die Behandlung eines Abwassers mit hohen Stickstoff-Konzentrationen (Sickerwasser) betrachtet. In diesem Fall wurde untersucht, welchen Einfluss der Reaktortyp auf den Prozess hat, wenn in dem zu behandelnden Abwasser hemmend wirkende Stoffe enthalten sind. Sowohl die Versuchsergebnisse, als auch die anschließend durchgeführten Simulationsrechnungen zeigten, dass eine Verschlechterung des Prozesses in Richtung einer zunehmenden Pfropfenströmung zu beobachten war. Das totale Mischbecken zeigte hier die größte Prozessstabilität aller Systeme.
Bei Simulationsrechnungen zur Denitrifikation wurde eine Zunahme des Eliminationsgrades in Richtung zunehmender Pfropfenströmung konstatiert. Die Berechnungen wurden in Abhängigkeit unterschiedlicher CSB/N-Verhältnisse durchgeführt. Hierbei lag bei niedrigen CSB/N-Verhältnissen ein Bereich der Substrat-Limitierung (CSB) vor; bei hohen CSB/N-Verhältnissen stießen die Systeme an die durch die Betriebseinstellung vorgegebene hydraulische Limitierung. In dem dazwischen liegenden Übergangsbereich zeigten sich die größten Unterschiede hinsichtlich der Effizienz des Prozesses in den unterschiedlichen Reaktoren. Durch Variation der Betriebsweise des SBR (Aufteilung eines Befüllschubs in mehrere) konnte darüber hinaus der Wirkungsgrad der Denitrifikation signifikant erhöht werden.
Als großtechnisch erreichbare Emmissionsminderung bei Ausnutzung aller Vorteile der Pfropfenströmung ist für den gelösten CSB von etwa 10 % auszugehen, was in Bezug auf das gesamte in der Bundesrepublik anfallende Abwasser überschlägig einer Jahresfracht von in der Größenordnung 34.000 t CSB entspricht.
Für die Realisierung einzelner Lösungen kann es sich, vor allem im Hinblick auf betriebliche Aspekte, als durchaus sinnvoll herausstellen, die Vorteile ausgeprägter Konzentrationsgradienten in die Verfahrenstechnik zu implementieren. Als eines der wesentlichen Merkmale sei neben der verbesserten Ausnutzung der Substrate sowie einem vollständigeren Stoffabbau in diesem Zusammenhang insbesondere die deutlich höhere Prozessstabilität von Systemen mit Pfropfenströmung gegenüber äußeren Einflüssen wie z.B. Temperatur oder Konzentrationsänderungen genannt.
Ergänzende Untersuchungen zur Aufstellung von Massenbilanzen anhand der Parameter CSB und Kohlenstoff in geschlossenen Systemen (kein Massentransfer mit der Umgebung) haben gezeigt, dass die Kohlenstoffbilanz aus versuchstechnischer Sicht reproduzierbarer als die CSB-Bilanz aufgestellt werden konnte. Als wesentliche Schwachstelle bei der Bilanzierung aerober Systeme auf Basis des CSB erwies sich hier die Messung des verbrauchten Luftsauerstoffs. Während die Bilanzierung des CSB zudem nur über die Reaktionsedukte möglich ist, stellte sich die Messung des freigesetzten anorganischen Kohlenstoffs (Reaktionsprodukt) im Rahmen der Kohlenstoffbilanz als ein sehr sensitiver Parameter zur Beschreibung der Prozesse heraus.
Untersuchungen zur CSB- und TOC-Bilanz der Denitrifikation mit unterschiedlichen Reinsubstraten haben gezeigt, dass die Mikroorganismen in Abhängigkeit vom Reduktionsgrad des verwendeten Substrates offenbar unterschiedliche Stoffwechselwege nutzten. So unterlagen höher reduzierte Substrate in weitaus geringerem Maße einer vollständigen Mineralisation als Substrate mit einem geringeren mittleren Reduktionsgrad. Des Weiteren wurden für die einzelnen Reinsubstrate unterschiedliche Ertragskoeffizienten ermittelt. Hier war bei Verwendung von höher reduzierten Substraten in Bezug auf den Parameter Kohlenstoff mit zunehmendem Reduktionsgrad des eingesetzten Substrates ein steigender Ertragskoeffizient feststellbar. Da sich ein qualitativ ähnlicher Zusammenhang auch für aerobe Prozesse vermuten lässt, sollte in weiterführenden Untersuchungen die Relevanz dieser Problematik im Hinblick auf die Überschussschlammproduktion betrachtet werden.