Thomas Teichfischer
Der Einfluss schwankender Abwasserzusammensetzungen auf die vermehrte biologische Phosphatelimination und Möglichkeiten zur Prozessstabilisierung
Zusammenfasssung
Nach den bisherigen Erfahrungen mit der vermehrten biologischen Phosphatelimination (Bio-P) in der kommunalen Abwasserreinigung können immer wieder kurzfristige Erhöhungen der Phosphat-Ablaufkonzentrationen auftreten. Dem kann nach heutigem Stand der Technik durch unterstützende chemische Fällung begegnet werden. Die Einhaltung geforderter P-Ablaufgrenzwerte durch alleinige Bio-P ist derzeit noch nicht sicher möglich. Dazu bedarf es genauerer Kenntnisse der Mechanismen, die zur zeitweisen Hemmung prozeßbestimmender Teilschritte und somit zu den erhöhten P-Ablaufkonzentrationen führen. Es sind Verfahren notwendig, die gezielt in die dynamischen biologischen Prozesse stabilisierend eingreifen.
Neben verschiedenen Einflußgrößen wie Schlammalter, anaerober Kontaktzeit und den Milieubedingungen in der anaeroben und aeroben Zone ist für den Wirkungsgrad der Bio-P die Abwasserzusammensetzung von ausschlaggebender Bedeutung. Hier wiederum kommt es besonders auf den Anteil leicht abbaubarer Kohlenstoffverbindungen an.
Ausgehend von einer Zusammenstellung der verschiedenen Einflußgrößen auf die Bio-P und der Möglichkeiten zur Quantifizierung des Anteils leicht abbaubarer Kohlenstoffverbindungen basiert die vorliegende Arbeit sowohl auf großtechnischen als auch auf halbtechnischen Untersuchungen. Die im praktischen Betrieb einer kommunalen Kläranlage auftretenden Störungen der biologischen P-Elimination wurden mit Hilfe kontinuierlicher Messungen wesentlicher Einfluß- und Kontrollparameter auf ihre Ursachen und Verläufe untersucht. Die halbtechnischen Versuchsanlagen wurden im wesentlichen mit dem Ziel betrieben, Strategien zur Stabilisierung der Bio-P bei kurzfristigen Störungen zu entwickeln und zu testen.
Die großtechnischen Untersuchungen wurden auf der Kläranlage Ebstorf im ländlichen Raum der Lüneburger Heide durchgeführt. Die Stabilisierungsanlage (ca. 10.000 EGW) entfernt Phosphor aus dem Abwasser bis auf eine Ablaufkonzentration von ca. 1 mg Ges-P/l im Jahresmittel. Einflüsse von tages- und wochengangbedingten Schwankungen der Abwasserzusammensetzung auf die Bio-P konnten nicht festgestellt werden. Kurze Regenereignisse im Stundenbereich bewirkten eine rein hydraulisch bedingte Verlagerung von rückgelöstem Phosphat aus der anaeroben in die aerobe Zone. Aufgrund der Verdünnung in den relativ großen Becken war eine nennenswerte Erhöhung der P-Ablaufkonzentrationen nicht festzustellen. Die biologischen Prozesse der P-Rücklösung und -Aufnahme wurden nicht beeinträchtigt.
Mehrtägige intensive Regenperioden führten zu deutlich reduzierten Zulaufkonzentrationen organischer Säuren aufgrund stark zurückgehender Versäuerungsaktivität im Kanalnetz und damit zu einer nachlassenden P-Rücklösung. Zum Zeitpunkt wieder ansteigender Phosphatkonzentrationen bei Regenende zeigte sich auch ein Ansteigen der P04-P-Konzentration im Ablauf. Diese erreichten deutlich mehr als 2 bis 3 mg/l und sanken erst nach mehreren Tagen auf das ursprüngliche Maß ab.
Die halbtechnischen Untersuchungen wurden an zwei parallelen Versuchsanlagen mit dem Abwasser der Stadt Braunschweig durchgeführt. Im Gegensatz zum Abwasser des ländlichen Einzugsgebietes waren im Braunschweiger Abwasser hohe Anteile aus der Lebensmittelindustrie vorhanden. Dies hatte einen ausgeprägten Wochengang in der Abwasserzusammensetzung, insbesondere in der Fraktion leicht abbaubarer Kohlenstoffverbindungen, zur Folge. Mischwassereinflüsse und tagesgangbedingte Schwankungen der Abwasserzusammensetzung machten sich nur in geringem Umfang in Bezug auf die P-Elimination bemerkbar. Es wurde beobachtet, daß aufgrund des Absinkens der Konzentrationen organischer Säuren und versäuerbaren Materials der Prozeß der Phosphat-Rücklösung zum Wochenende fast völlig zum Erliegen kam. Mit wieder einsetzender Rücklösung zum Wochenbeginn begannen die Phosphatkonzentrationen im Ablauf des Belebungsbeckens von unter 1 mg/l auf etwa 4 mg/l zu steigen und erreichten erst zur Wochenmitte wieder das niedrige Ausgangsniveau. Die P04-P-Konzentrationsverläufe im Wochengang der halbtechnischen Untersuchungen entsprachen denen auf der Großanlage bei längeren Regenereignissen.
Der bekannte lineare Zusammenhang zwischen P-Rücklösung und -Aufnahme gilt für die hier untersuchten instationären Zustände nicht. Die erhöhten P-Ablaufkonzentrationen traten erst nach Beendigung des äußeren Störeinflusses auf. Dabei ist entscheidend, daß im aeroben Milieu nur Bakterien vermehrt P aufnehmen können, die vorher anaerob rückgelöst haben. Zum Zeitpunkt der wieder einsetzenden Substratversorgung nach einer Störung begann die Rücklösung sofort in vollem Umfang, während Bakterien, die sich im Zustand vorausgegangener Rücklösung befinden, also zur P-Aufnahme befähigt sind, erst wieder im sehr viel größeren Belebungsbecken angereichert werden mußten.
Der Grund für die Erhöhung der Ablaufkonzentrationen nach Beendigung der Störung liegt also in der Umlagerung von Biomasse mit verschiedenen Zustandsformen der P-speichernden Bakterien.
Phosphorbilanzen in Zeiträumen unterschiedlicher Belastungen haben gezeigt, daß bei steigenden Schlammaltern sowohl die im Kreis geführte Phosphormenge als auch die jeweils rückgelösten Phosphatkonzentrationen anstiegen. Mit der Versäuerung von Rohabwasser konnten lediglich die Störeinflüsse aus Regenereignissen abgefangen werden, die aufgrund zu geringer Versäuerungsaktivität im Kanalsystem auftraten. Zur Verhinderung der wochengangabhängigen P- Ablaufspitzen, die in einem Mangel an leicht abbaubaren Substraten begründet lagen, erwies sich die externe Dosierung von Essigsäure als geeignete Maßnahme. Es wurde eine Regelstrategie entwickelt, die berücksichtigte, daß das stabilisierende Eingreifen zeitlich um einiges vor dem Ansteigen der P-Ablaufkonzentration zu erfolgen hatte. Auf diese Weise konnte sichergestellt werden, daß die P- Rücklösung ständig im notwendigen Maß erfolgte. Durch die Regelung über die Phosphatkonzentration im Rücklösebecken wurde der zeitweise auftretende Substratmangel ohne Zeitverzögerung registriert und durch Zugabe von Essigsäure ausgeglichen.Durch die geregelte Essigsäuredosierung konnten die wöchentlich auftretenden Phosphat-Konzentrationsspitzen im Ablauf des Belebungsbeckens fast völlig vermieden werden. Die CSB-Konzentration des Zulaufs wurde dadurch, über vier Wochen gemittelt, um 1,6% aufgestockt. Die Stickstoffelimination wurde nicht nennenswert verbessert.
Eine Kostenabschätzung der Substratdosierung gegenüber der unterstützenden Simultanfällung ergab, daß letztere im direkten Vergleich mit der hier durchgeführten Zugabe reiner Essigsäure deutlich billiger wäre. Es ist jedoch denkbar, im Abwasser enthaltenes Material zu versäuern oder spezielle Industrieabwasserströme mit hohen Anteilen organischer Säuren vorzuhalten und zu Zeiten von Substratmangel im Abwasser geregelt zu dosieren.