Michael Werner
Deponiegas zur Denitrifikation von Sickerwasser aus Mülldeponien
Zusammenfasssung
Sickerwässer aus alten Hausmülldeponien enthalten hohe Konzentrationen an Stickstoffverbindungen, aber nur geringe Konzentrationen an organischen Stoffen. Eine vollständige Stickstoffelimination über den Weg der biologischen Denitrifikation ist nur möglich, wenn extern organische Kohlenstoffverbindungen dosiert werden. In der Abwasserreinigung üblich ist der Einsatz von Methanol und Essigsäure.
Sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht ist die Vernichtung von chemischen Reinsubstanzen nur akzeptabel, wenn die Nutzung ähnlich wirksamer Abfallstoffe ausgeschöpft ist. Ein "Abfallprodukt" von Deponien ist das bei anaeroben Abbauprozessen entstehende Deponiegas.
In dieser Arbeit wurde die Möglichkeit untersucht, Deponiegas als Kohlenstoffversorgung zur Denitrifikation von Hausmülldeponiesickerwässern einzusetzen. Es sollten grundlegende Informationen gewonnen werden, die für eine Anwendung dieses Verfahrens im technischem Maßstab notwendig sind.
Im Versuchszeitraum wurden 5 verschiedene Laboranlagen mit unterschiedlichen Zielsetzungen betrieben. Zusätzlich wurden verschiedene Standversuche durchgeführt. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Deponiegas enthält im Mittel 60% Methan. Eine direkte Verwendung des Methans als Wasserstoffdonator zur Denitrifikation ist nicht möglich, da die methanverwertenden Bakterien (methanotrophe Bakterien) obligat aerob sind.
- Nitrat wird über zwei parallel ablaufende Prozesse aus der Wasserphase eliminiert. Einerseits wird es über das Wachstum der Bakterien in die Biomasse eingebaut und andererseits über den biologischen Prozess der Denitrifikation in Stickstoffgas umgewandelt. Aus abwassertechnischer Sicht ist es das Ziel, die Randbedingungen so zu optimieren, dass maximale Denitrifikationsleistungen erreicht werden.
- Eine Nutzung des Methans zur Denitrifikation kann nur mit einer Mischkultur methanotropher/methylotropher Bakterien unter externer Zugabe von Sauerstoff erfolgen. Methanotrophe Bakterien haben das Ziel, Methan vollständig zu CO2 zu oxidieren. Unter sauerstofflimitierten Milieubedingungen verläuft die Oxidation nicht vollständig ab, sodass Methanol als Zwischenprodukt ausgeschieden wird, welches von methylotrophen Bakterien der Gattung Hyphomicrobium als Wasserstoffdonator für die Denitrifikation genutzt werden kann.
- Zum Erreichen maximaler Denitrifikationsraten muss eine ausreichende Methanversorgung sichergesteIlt werden. Für die Belebtschlammanlagen bedeutete das eine Mindest-Methan-Schlammbelastung von 70 L CH4/( g TS * d) (entsprach einem CH4 Partialdruck von 40% im Belüftungsgas); beim Tropfkörperreaktor wurden bei Methan-Raumbelastungen von mehr als 200 L CH4/ (L * d) (entsprach einem CH4-Partialdruck von 25% im Belüftungsgas) maximale Denitrifikationsraten erzielt.
- Der entscheidende Parameter zur Beeinflussung des Abbauverhaltens ist die Sauerstoffversorgung. Die maximalen Denitritikationsraten wurden unter sauerstofflimitierten Bedingungen erzielt. Für die. Belebtschlammanlagen bedeutete das Sauerstoff-Schlarnmbelastungen von 7 - 25 L O2/(g TS * d) (entsprach einem O2-Partialdruck von 4 - 14% im Belüftungsgas) bei Sauerstoff Konzentrationen in der Wasserphase von 0 - 0,5 mg/L. Bei niedrigeren O2-Belastungen wurde weniger Methan oxidiert und dadurch weniger Zwischenprodukte ausgeschieden, was zu einem Rückgang der Denitrifikationsrate führte. Höhere O2-Belastungen mit erhöhten Sauerstoffgehalten in der Wasserphase führten zu einer Steigerung der Methanoxidation und damit zu einer Steigerung des Nitrateinbaus in die Biomasse. Gleichzeitig wurde aber bei O2-Konzentrationen von > 1 mg/L in der Wasserphase die Denitrifikation gehemmt.
- Bei der Troptlkörperanlage wurden maximale Denitrifikationsraten bei einer Sauerstoff-Raumbelastung von 120 - 220 L O2/( Ll * d) (entsprach einem O2-Partialdruck von 15 - 27% im Belüftungsgas) bei Sauerstoff-Konzentrationen in der Wasserphase von 2 - 4 mg/L erreicht. Eine Hemmung der Denitrifikation setzte bei O2 Konzentrationen von > 5 mg/L in der Wasserphase ein.
Es ist anzumerken, dass die angegebenen CH4- bzw. O2-Belastungen bzw. Partialdrücke nur für die eingesetzten Reaktoren mit den vorhandenen Belüftungssystemen gelten. Eine Übertragung auf andere Systeme ist aber mit den angegebenen Kennwerten (kLa-Werte) möglich.
- Im stabilen Betrieb wurden folgende maximale Abbauraten erzielt:
Nitrat-Einbau in Biomasse:
- Belebtschlammreaktor: 17 mg NO3-N/(g TS * d)
- Tropfkörperreaktor: 36 mg NO3-N/(L * d)
Denitrifikation:
- Belebtschlammreaktor: 12 mg NO3-N/(g TS * d)
- Tropfkörperreaktor. 120 mg NO3-N/(L * d)
- Der Methanolausstoß der methanotrophen Bakterien ist der geschwindigkeitslimitierende Schritt des gesamten Abbauvorganges. Eine Veränderung der Prozessbedingungen (z.B. Verbesserung des Gaseintrages) würde zwar zu einer Steigerung der Methanoxidationsraten, aber nicht zu einer besseren Ausnutzung des Methans zur Denitrifikation führen.
- Der Anteil der mit Methanol denitrifizierenden Bakterien in der Mischkultur betrug in Abhängigkeit von den Randbedingungen 4 - 14%.
- Der minimale spezifische Methanverbrauch betrug unter den für Denitrifikation optimierten Bedingungen für die Belebtschlammreaktoren 16 L CH4/g N, für den Tropfkörper 11 L CH4/g N. Das bedeutet, dass beim Belebtschlammreaktor nur 8,9% und beim Tropfkörperreaktor nur 13% des eingesetzten Methans zur Denitrifikation genutzt werden konnnte. Das restliche Methan wurde aerob umgesetzt.
- Der dazugehörige Sauerstoffverbrauch betrug für die Belebtschlammreaktoren 23 L O2/g N, für den Tropfkörper 15 L O2/g N.
- Die Überschussschlammproduktion betrug bei den für Denitrifikation optimierten Randbedingungen 3,4 g TS/g N beim Belebtschlammverfahren und 2,4 g TS/g N beim Tropfkörperverfahren
- Der optimale pH-Bereich lag bei 6,5 bis 7,4. pH-Werte größer als 8 führten zu einem Rückgang der Abbauleistungen.
- Unter den für Denitrifikation optimierten Randbedingungen ergaben sich somit folgende Abbaustöchiometrien:
Belebtschlammreaktor
CH4 + 1,87 O2 -> 0,91 CO2+ 1,82 H2O
0,092 CH3OH
Tropfkörperreaktor
CH4 + 1,8 O2 -> 0,87 CO2+ 1,73 H2O
0,13 CH3OH
- Es wurden teilweise sehr hohe O2-Konzentrationen gemessen. Eine eindeutige Abhängigkeit von eingestellten Randbedingungen konnte nicht festgestellt werden.
- Der biologische Abbau von Methan hatte einen Rest-CSB-Anstieg zur Folge, der 0,44% des abgebauten CSB betrug.
- Die im Deponiegas enthaltenen Spurenstoffe verursachten keine Hemmung der biologischen Abbauvorgänge. Mögliche Hemmstoffe, wie die im Deponiegas enthaltenen leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffe, wurden durch die Mischbiozönose methanotropher/methylotropher Bakterien biologisch abgebaut. Es findet weder eine Akkumulation der halogenierten Kohlenwasserstoffe am Belebtschlamm noch in der Wasserphase statt.
- Die beim Einsatz von Deponiegas und Luft in das Belüftungssystem gelangenden Fremdgase CO2 und N2 können die Effektivität des Verfahrens beeinflussen. Dies muss durch eine geeignete Wahl des Gasversorgungssystems berücksichtigt werden.
- Die Regelung einer technischen Anlage zur Denitrifikation mit Methan sollte über den O2-Gehalt in der Wasserphase erfolgen. Zusätzlich sollte der O2- und CH4-Partialdruck im Belüftungsgas kontinuierlich gemessen werden. Außerdem muss der pH-Wert geregelt werden.
Die Übersicht über die Versuchsergebnisse zeigt, dass der Einsatz von Deponiegas zur Denitrifikation von Deponiesickerwässern grundsätzlich möglich ist, verschiedene verfahrenstechnische Nachteile aber gegen dieses Verfahren sprechen:
- geringe Denitrifikationsraten
- schlechte Ausnutzung des Methans zur Denitrifikation
- hohe Überschussschlammproduktion
- aufwendige Verfahrenstechnik
- notwendige Sicherheitstechnik
Trotz der vorhandenen Nachteile kann im Einzelfall der Einsatz von Deponiegas zur Denitrifikation sinnvoll sein und bedarf einer genauen Prüfung der Randbedingungen.