Immer strenger werdende Bestimmungen zu Flugzeug-Emissionen erfordern innovative Herangehensweisen zur Auslegung von Flugtriebwerken, welche in den verschiedenen Flugphasen effizient arbeiten. Aktive Strömungsbeeinflussung (active flow control, AFC) stellt eine solche Herangehensweise dar: Hier werden fortschrittliche Technologien wie Ausblasung, Absaugung und formvariable Schaufeln kombiniert, um einen Verdichter auszulegen, der sich zum Zweck einer verbesserten Leistungsfähigkeit aerodynamisch an die vorherrschenden Strömungsbedingungen anpasst.
Um solch einen adaptiven Verdichter zu realisieren, ist es das Ziel dieses Projekts, ein AFC-System zu implementieren, welches die gezielte Absaugung und Ausblasung von Luft mit piezokeramisch aktuierten, formvariablen Schaufeln. Dies erlaubt eine Beeinflussung der aerodynamischen Belastung sowie der Nachlauf- und Sekundärströmungen, um das realisierbare Druckverhältnis zu steigern und gleichzeitig unzuträgliche Einflüsse der Nachläufe und Sekundärströmungswirbel auf den Wirkungsgrad zu verringern.
Die Ausblasung von Luft unmittelbar stromauf der Verdicherschaufel-Hinterkanten führt der Grenzschichtströmung entlang der Schaufeloberfläche Impuls zu.
Der zusätzliche Impuls, welcher nun in der Grenzschicht vorhanden ist erhöht die erreichbare Strömungsumlenkung, was zu einer Verbesserung des Druckaufbaus führt. Dies erlaubt es, entweder die Leistungsfähigkeit des Verdichters zu steigern oder die Verdichtermasse durch Reduktion der notwendigen Schaufeln und Stufen zu senken.
Gleichermaßen schwächt der zusätzliche Impuls das Impuls-Defizit der Nachläufe. Die Vorteile abgeschwächter Nachläufe sind eine Verringerung der Ausmischungsverluste – resultierend in einem erhöhten Wirkungsgrad – sowie eine mögliche Verbesserung des aero-elastischen Verhaltens nachfolgender Stufen.
Die Absaugung von Luft aus hoch verlustbehafteten Strömungsgebieten, etwa die Sekundärströmungsgebiete an Nabe und Gehäuse des Verdichters, senkt die Dissipation kinetischer Energie zu Abwärme durch eine Verringerung der Intensität unerwünschter Wirbel und Strömungsablösungen. Somit kann ein größerer Anteil der vorhandenen kinetischen Energie in Druck umgewandelt werden. Das Resultat ist ein höherer und effizienterer Druckaufbau.
Die kombinierte Anwendung dieser Technologien der Strömungsbeeinflussung kombiniert nicht nur deren Vorteile. Vielmehr könnten hierdurch einige der Nachteile, welche mit einzelnen Maßnahmen der Strömungsbeeinflussung einhergehen, ausgeglichen werden.
Erstens könnte die Kombination von Ausblasung und Absaugung die Menge an bereitzustellender Luft reduzieren. Werden bestehende Druckunterschiede genutzt, um die Luftmassenströme anzutreiben, kann zusätzlich die Systemmasse ebenfalls erheblich reduziert werden.
Zweitens ist es wahrscheinlich, dass die durch Ausblasung erreichbare höhere Umlenkung der Strömung stärkere Sekundärströmungswirbel induziert. Wohlplatzierte Absaug-Vorrichtungen würden in diesem Fall die hiermit verbundenen Wirkungsgradeinbußen minimieren.
Nicht zuletzt können die Steuergrößen der aktiven Strömungsbeeinflussung, z.B. Luftmassenströme, an die tatsächlichen Betriebsbedingungen des Verdichters angepasst werden, um Wirkungsgrad- und Leistungszuwächse in den verschiedenen Flugphasen zu gewährleisten.
Prof. Dr.-Ing. Jörg Seume
Institut für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik
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Institut für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik
Leibniz Universität Hannover
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