Könnte sie so aussehen, die Brücke der Zukunft? Filigran, leicht, materialeffizient? Im Sonderforschungsbereich „Additive Manufacturing in Construction (AMC)“ von TU Braunschweig und TU München haben Wissenschaftler*innen mit einem speziellen 3D-Druckverfahren einen solchen ersten Brückenprototypen hergestellt. Das an der TU Braunschweig entwickelte und patentierte „Injection 3D Concrete Printing“ ermöglicht Leichtbaustrukturen, die mit Beton bisher nicht möglich waren.
Additive Fertigungsverfahren konzentrieren sich hauptsächlich auf schichtweise 3D-Drucktechniken, die üblicherweise horizontal angewendet werden. Für geometrisch komplexe Bauwerke sind diese Verfahren jedoch nur bedingt geeignet. Das „Injection 3D Concrete Printing“ bietet dagegen völlig neue Möglichkeiten in der Formfindung und 3D-Pfadplanung. Das Bauteil kann so auch dreidimensional im Raum aufgebaut werden. Damit kann eine leichte, aufgelöste Bauweise erreicht werden, wie man sie eher von Holz oder Stahl kennt.
Bei diesem 3D-Druckverfahren injizieren die Wissenschaftler*innen einen Betonstrang robotisch in eine nicht aushärtende Trägerflüssigkeit. Der Betonstrang soll dabei eine stabile Position beibehalten. Die Trägerflüssigkeit muss deshalb perfekt auf den Beton und den robotergesteuerten Prozess abgestimmt sein, um das Material in der gewünschten Position zu halten. Diese Stützflüssigkeit kann später wieder entfernt werden, zurück bleibt die filigrane Struktur.
Brücke auf Architektur Biennale ausgestellt
Um den begrenzten Arbeitsraum des Roboterarms zu berücksichtigen, musste die ursprüngliche Brücke in fünf Segmente unterteilt werden. Diese einzelnen Segmente wurden dann mit der I3DCP-Methode hergestellt. Nach dem erfolgreichen 3D-Druck der fünf Brückensegmente, der Gelenke und der beiden Stützfüße folgte die Montage. Dabei achteten die Wissenschaftler*innen sorgfältig darauf, dass sich jedes Segment nahtlos in die benachbarten Segmente einfügte, um eine einheitliche und robuste Struktur zu erhalten.
Mit der Brücke konnten die Wissenschaftler*innen im vergangenen Jahr auf der Architektur Biennale in Venedig für Aufsehen sorgen. Das Bauwerk war Teil der Ausstellung „Time Space Existence“ des Europäischen Kulturzentrums (ECC).
Der gebaute Brückenprototyp ist 4,20 Meter lang, 50 Zentimeter hoch und an der breitesten Stelle 1,80 Meter breit. Sein Gesamtgewicht beträgt rund 312 Kilogramm. Die maximale Tragkraft der Brücke übersteigt ihr Eigengewicht um das 20-fache und zeigt damit das Potenzial des „Injection 3D Concrete Printing“ für den Bau von Infrastruktur aus Leichtbeton. Um größere tragfähige Objekte herzustellen, müssen die Wissenschaftler*innen für eine stärkere Konstruktion Bewehrung und Knotenpunkte integrieren.
An dem Projekt sind folgende Wissenschaftler*innen beteiligt: Yinan Xiao, Aileen Vandenber, Osman Zhini, Dr. Patrick Ole Ohlbrock, Prof. Dr. Pierluigi D´Acunto, Prof. Dr. Norman Hack, Prof. Dr. Harald Kloft, Prof. Dr. Dirk Lowke und Prof Dr. Inka Mai.
Über den Sonderforschungsbereich AMC:
Der von der DFG geförderte Sonderforschungsbereich TRR 277 Additive Manufacturing in Construction (AMC) von TU Braunschweig und TU München hat das Ziel, die Transformation des Bauwesens in eine digitale und nachhaltige Zukunft wesentlich mitzugestalten. Im Fokus steht die Nutzung der 3D-Drucktechnologie (Additive Fertigung), um ressourcenschonende, emissionsarme und wirtschaftliche Bauweisen zu entwickeln. Komplexe Forschungsfragen zu Werkstoffen, Verfahrenstechnik, digitaler Prozesssteuerung, Modellierung, Design und Konstruktion werden von Wissenschaftler*innen aus den Bereichen Bauwesen und Maschinenbau ganzheitlich untersucht.
Weitere Informationen: www.amc-trr277.de
Meldung von Bianca Loschinsky aus dem MAGAZIN der TU Braunschweig