Liebe Frau Prof. Sut-Lohmann, Sie sind seit ungefähr einem Jahr im Institut für Geoökologie die Leiterin der Abteilung Bodenwissenschaften. Konnten Sie schon gut mit Ihren Wunschprojekten starten?
Es ist nun fast ein Jahr vergangen, seitdem ich an die TU Braunschweig berufen wurde, und es war eine sehr intensive Zeit für mich – jedoch in jeder Hinsicht eine positive Erfahrung. Mein Team und ich haben uns kennengelernt und sind bereits gewachsen, was mich sehr freut. Ich habe das Glück, ein großartiges Team übernommen zu haben, das alle Änderungen und die neue Strukturierung der Abteilung gut aufgenommen und aktiv mitgestaltet hat. Als neu berufene Professorin habe ich auch viel Zeit damit verbracht, neue Lehrveranstaltungen aufzubauen.
Zudem haben wir den Masterstudiengang „Umweltnaturwissenschaften“ mit der Vertiefung „Boden“ reformiert, was eine sehr spannende Zeit war, in der ich auch alle Lehrenden kennenlernen durfte. Ich bin äußerst positiv überrascht, wie viele neue Kolleginnen und Kollegen ich in kurzer Zeit in Braunschweig kennengelernt habe. Es sind sowohl langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch neu Berufene wie ich dabei, und ich habe in vielen von ihnen offene und neugierige Menschen getroffen. Wir haben bereits zahlreiche Pläne für Antragseinreichungen und stehen in regem Austausch.
Besonders freue ich mich darüber, dass ich meine persönlichen Forschungsinteressen an militärisch belasteten Böden weiterverfolgen kann – ein Thema, das durch den Krieg in der Ukraine, aber auch durch die Konflikte in Palästina und Israel, an großer Bedeutung gewonnen hat, jedoch noch wenig erforscht ist. Seit zwei Wochen haben wir eine neue Postdoktorandin aus der Ukraine, die bei uns diese Belastungen sowie Ansätze zur Rekultivierung erforschen möchte.
Sie haben mal (im Begrüßungs-Interview der TU) gesagt, Sie arbeiten hauptsächlich mit anthropogen beeinflussten Böden. Natürlich sind damit Böden insbesondere in Siedlungsnähe oder im städtischen Kontext gemeint, die Einflüsse von Bau- und Landwirtschaft und weiteren Umwelteinflüssen ausgesetzt sind. Aber gibt es auf der Erde überhaupt noch Böden, die keine Beeinflussung durch den Menschen aufzeigen? Ist das eine Schwierigkeit, wenn ein „unbeeinflusster“ Boden als Referenz fehlt?
Das ist eine spannende Frage! Tatsächlich gibt es heutzutage kaum noch Böden auf der Erde, die vollständig frei von menschlichem Einfluss sind. Selbst in abgelegenen, unbewohnten Gebieten lassen sich häufig indirekte Spuren menschlicher Aktivitäten nachweisen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Landnutzung und Forstwirtschaft: Auch wenn bestimmte Regionen nicht unmittelbar für Landwirtschaft oder Forstwirtschaft genutzt werden, wirkt sich die weltweite Nachfrage nach Ressourcen dennoch auf andere Gebiete aus. Natürliche Landschaften werden verändert oder gerodet, was wiederum Erosionsprozesse in den Böden begünstigt. Ein weiterer Einflussfaktor ist die atmosphärische Deposition: Schadstoffe wie Schwermetalle, Pestizide oder andere Chemikalien, die durch industrielle Aktivitäten, den Verkehr oder die Landwirtschaft entstehen, können über große Distanzen transportiert und auch in weit entfernten Böden abgelagert werden. Ein aktuelles Beispiel für einen zunehmend relevanten Schadstoff sind Mikro- und Nanoplastikpartikel. Studien belegen, dass selbst in entlegenen Regionen Spuren von Mikroplastik im Boden zu finden sind, was die globale Verbreitung von Plastikmüll verdeutlicht. Insgesamt lässt sich festhalten, dass es heutzutage kaum noch Böden gibt, die gänzlich frei von menschlichen Einflüssen sind. Durch die Globalisierung und die weiträumige Verteilung von Schadstoffen ist es sehr schwierig, unberührte Böden zu finden.
Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass der Mensch ebenfalls ein wichtiger Faktor der Bodenbildung ist, neben Ausgangsgestein, Klima, Relief, Biota und Zeit. Insbesondere die Zeit spielt eine zentrale Rolle, da Böden sehr lange benötigen, um sich zu entwickeln – oft über mehrere tausend Jahre.
Aktuell leben wir jedoch in einer Epoche, die als Anthropozän bezeichnet wird, was die enorme Bedeutung des menschlichen Einflusses auf unseren Planeten noch einmal verdeutlicht.
Auf ihren Bildern aus der Institutsarbeit nehmen Studierende oft vor Ort Bodenproben. Wie wichtig ist in der Forschung, aber auch in der Lehre der haptische Kontakt mit dem Boden?
Probennahme und Feldarbeit sind für Bodenkundler und Bodenwissenschaftler von zentraler Bedeutung. Es ist recht abstrakt, Bodenprofile in Lehrbüchern oder Vorlesungen zu betrachten – viel mehr kann man verstehen, wenn man sich direkt vor Ort mit den Böden beschäftigt. Vor Ort lassen sich zahlreiche Einflüsse der Umgebung und des umgebenden Ökosystems erkennen. Durch gezielte Probenahme kann man zudem besser nachvollziehen, was unter der Erdoberfläche geschieht.
Für Studierende ist dies von besonderer Wichtigkeit, da sie viele Prozesse erst richtig verstehen, wenn sie selbst ein Bodenprofil untersuchen. Dazu gehört beispielsweise die Körnungsanalyse durch Fingerprobe, die Bestimmung von Carbonaten mit Salzsäure (HCl), oder die Bestimmung der Bodenfarben mithilfe der Munsell-Farbkarte, um verschiedene bodenbildende Prozesse zu charakterisieren. Auch bei städtischen Böden ist es unerlässlich, manchmal „nach unten zu schauen“, um zu verstehen, welche unterschiedlichen Funktionen sie erfüllen. Aus diesem Grund bemühen wir uns, sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudiengang regelmäßig Exkursionen, Probenahmen und Feldansätze durchzuführen.
Sie arbeiten aber auch bevorzugt mit nicht-invasiven Methoden der Bodenanalyse. Was können uns Drohnen für Daten liefern?
Die Wahl der Kamera für Drohnen hängt stark von der spezifischen Anwendung ab. Multispektralkameras und Hyperspektralkameras liefern wertvolle Daten zur Überwachung von Schadstoffen und zur Identifizierung von Pflanzenstress durch Vegetationsindizes. Diese Kameras haben sich auch bereits erfolgreich in der Bodenkartierung und der Bestimmung von Bodenfeuchtigkeit bewährt. Sie können zudem die Biodiversitätsforschung unterstützen, indem sie bei der Überwachung von Lebensräumen helfen. Die gesammelten Daten sind hilfreich, um die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Vegetation und die Bodenqualität zu analysieren.
LiDAR-Drohnen (Light Detection and Ranging) verwenden Laserstrahlen, um präzise 3D-Modelle von Gelände und Objekten zu erstellen, was das Vermessen und die Feldbeprobung sowie das Forstmanagement unterstützt. Thermalkameras liefern Daten über Bodenfeuchtigkeit und Temperaturverteilung, die für das Bewässerungsmanagement von großer Bedeutung sind.
Wie Sie sehen, gibt es eine große Vielfalt an Anwendungen, und es ist wahrscheinlich, dass ich nicht alle Möglichkeiten kenne. Ich arbeite viel mit multispektralen und hyperspektralen Kameras (Hyspex), um die Akkumulation von Schadstoffen in Pflanzen zu beobachten. In Zukunft hoffe ich, auch die Bodenfeuchtigkeit und die Kohlenstoffsequenzierung besser überwachen zu können.
Schon als Laie bemerkt man, dass durch den Klimawandel Böden besonders belastet sind und sich die Trockenheit auf Mikroklima, Ernte oder auch nur die Bepflanzung der Gärten in den Städten auswirkt. Welche Lösungsansätze entwickelt Ihr Institut dafür?
Städtische Böden stehen vor komplexen Herausforderungen. Längere Trockenperioden werden häufig von plötzlichen und intensiven Niederschlägen unterbrochen, und unser Klima zeigt zunehmend extreme Wetterbedingungen. Dennoch müssen städtische Böden in der Lage sein, ausreichend Wasser zu speichern, um die Vegetation zu unterstützen und Schadstoffe zu absorbieren. Dies ist der Schwerpunkt unserer Forschung.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt im Bereich der Bodenwissenschaften liegt im Verständnis und der gezielten Optimierung des Systems Boden-Mikrobiom-Pflanze. In zahlreichen Ökosystemen stellt Wasser einen entscheidenden limitierenden Faktor für das Wachstum der Vegetation dar. Darüber hinaus sind fast alle biogeochemischen Reaktionen sowie die Transportprozesse von Energie, Gasen und gelösten Substanzen in Böden stark vom Wassergehalt im Boden abhängig. Um die Speicherung von Bodenwasser zu optimieren, erforsche ich nachhaltige Bodenhilfsstoffe, wie die Anwendung von Pflanzenkohle, Gärresten oder Hanffaser-Reststoffen. Diese Materialien tragen zur strukturellen Verbesserung des Bodens bei und schaffen so bessere Voraussetzungen für die Speicherung von Wasser und Nährstoffen.
Ein wichtiger Aspekt dieser Forschung ist die Schaffung einer geeigneten Mikrobiomumgebung. Beispielsweise können Mykorrhiza-Pilze zusätzliche Hyphennetze aufbauen, oder robuste einheimische Arten, die oft für degradierte und kontaminierte Böden geeignet sind, können helfen, Schadstoffe abzubauen und das Pflanzenwachstum zu fördern.
Sie forschen auch in dem Bereich der Bodenhydrologie. In unserem letzten Alumni-Newsletter hatten wir von Prof. Milatz, der im März das Institut für Geomechanik und Geotechnik übernommen hat, etwas von seiner Forschung zu teilgesättigten Böden und deren Beanspruchung durch den Klimawandel gehört. (Bei Prof. Milatz geht es natürlich vor allem um die Festigkeit als Untergrund für Bauwerke.) Gibt es da schon Anknüpfungen zwischen Ihren Instituten?
Ich kenne Marius mittlerweile ganz gut und schätze ihn sehr. Er ist nicht nur ein vielseitiger Wissenschaftler, sondern auch ein äußerst netter und hilfsbereiter Kollege. Wir haben viele gemeinsame Ideen, die die Stadt der Zukunft betreffen. Wir haben bereits ein gemeinsames DAAD-Proposal für ein Postdoc-Projekt zum Thema „Stabilization Treatment of Slope using Composite Biopolymer and Fungus“ eingereicht. Dabei beschäftigen wir uns mit der Entsiegelung von Braunschweiger Flächen, um zu erforschen, welche physikalischen, chemischen, biologischen und statischen Veränderungen dadurch verursacht werden.
Momentan planen wir ein größeres Verbundprojekt mit mehreren Kollegen zum Thema urbane Böden, aber es ist noch zu früh, um darüber zu berichten. Vielleicht können wir nächstes Jahr mehr dazu erzählen. Ich freue mich darauf, zukünftig viel miteinander zu arbeiten.
Wie kamen Sie zum Gebiet Bodenwissenschaften? Wandern Sie gerne?
Da ich während meines Ingenieurstudiums in Polen viel mit dem Umweltschutz zu tun hatte, begann meine wissenschaftliche Reise mit der Forschung zu Pestiziden. Anschließend beschäftigte ich mich intensiv mit der Degradation von Torfböden. Während meiner Promotion widmete ich mich vor allem kontaminierten Böden und während meiner Habilitation der Entwicklung umweltfreundlicher Methoden zur Rekultivierung dieser Böden.
Ich hatte das große Glück, während meines Masterstudiums von Professor Voigt, einem hervorragenden Experten für Umweltgeologie, unterrichtet zu werden, der mir die Leidenschaft zur Bodenkunde vermittelt hat. Nachfolgend setzte ich meine Reise in diesem Bereich unter der Anleitung meines Doktorvaters und Habilitationsvaters, Professor Raab, fort.
Da ich eher ein Stadtkind bin (ich komme aus Danzig in Polen), habe ich ein besonderes Interesse an städtischen Böden. Ich bin zwar nicht die große Wanderin, genieße aber lange Spaziergänge in der Natur und vor allem Ausritte. In der Nähe von Braunschweig gibt es genügend wunderschöne Landschaften, die ich entdecken möchte.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben!
Das Interview mit Frau Prof. Sut-Lohmann wurde von Dr. Heiko Jacobs durchgeführt
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