Am 18. November 2020 verstarb nach längerer Krankheit Akad. Dir. Dr. rer. nat. Günter Musmann. Günter war eine unser Institut wissenschaftlich und menschlich prägende Persönlichkeit. Geboren wurde er am 21. Januar 1938 in Salzgitter-Bad. Das Studium der Physik an der Universität Göttingen und der TH Braunschweig schloss er 1964 in Braunschweig mit einer Arbeit auf dem Gebiet der angewandten Geophysik über das Widerstandsverfahren der Geoelektrik ab und setzte seine wissenschaftlichen Arbeiten als Doktorand am damaligen Institut für Geophysik und Meteorologie unter der Leitung von Prof. Dr. Walter Kertz (1924-1997) fort. Im Rahmen seiner Dissertation beschäftigte er sich intensiv mit der Entwicklung eines Saturationskern-Magnetometers für Raketen und Erdsatelliten und wurde 1968 promoviert. Raketen und Satelliten ließen ihn danach nicht wieder los.
Am 8. November 1969 wurde der erste deutsche Weltraumsatellit AZUR gestartet, ausgerüstet mit einem Saturationskern-Magnetometer, das Günter Musmann in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelt hatte. Auch wenn die Messungen nicht wie erhofft verlaufen waren, stellt das von Günter als Principal Investigator betreute Instrument doch den Ausgangspunkt für unsere sehr zahlreichen Beteiligungen an den verschiedensten Weltraummissionen dar. Zu nennen sind hier insbesondere die Sonnensonden Helios I und II (1974-1986), die Giotto-Mission zum Halley’schen Kometen (1985-1992), die Tethered Satellite Mission TSS-1R (1996), die Deep-Space 1 Mission mit ihren Vorbeiflügen am Asteroiden Braille und dem Kometen Borelly (1998-2001), die Vier-Satelliten Mission CLUSTER (2000-2024), die Saturn-Sonde Cassini und natürlich der ROSETTA-Orbiter (2004-2016). Zu allen diesen Missionen hat Günter Musmann wegweisende Beiträge geliefert. In nationalen und internationalen Gremien und Kollegenkreisen galt er als einer der weltweit führenden Experten für die Entwicklung und den Betrieb von Saturationskern-Magnetometern.
Doch Günter interessierte sich nicht nur für Messungen auf Satelliten. Auch Raketenexperimente hatten es ihm ja schon in seiner Dissertation angetan. Motiviert durch die Habilitationsschrift von Prof. Dr. Jürgen Untiedt (heute Universität Münster) im Jahre 1968 hatte das Institut begonnen, Magnetfeldmessungen im Bereich des äquatorialen Elektrojets (EEJ) in Brasilien durchzuführen. Dietrich Hesse betrieb von 1969-1971 eine 3400 km lange Nord-Süd-Magnetometerkette zur Beprobung der räumlichen Charakteristika des EEJ in Brasilien. Und Günter Musmann führte 1970 von Natal in Brasilien aus während mehrerer Raketenflüge Magnetfeldmessungen im Bereich des EEJ durch. Er konnte so wohl erstmalig meridionale Stromsysteme in der Ionosphäre nachweisen. Aber auch seinem Interesse an der angewandten und allgemeinen Geophysik blieb er treu. Im Rahmen geothermischer Untersuchungen betreute Günter magnetotellurische Messungen in der Eifel, den Phlegräischen Feldern, auf Milos und in der Toskana. Seine in mehreren Jahrzehnten angesammelte Erfahrungen im Bau stabiler und empfindlicher Saturationskern-Magnetometer bewährten sich auch bei der Entwicklung einer Hochtemperatur-Magnetometersonde für Bohrlochmessungen im Kontinentalen Tiefbohrprojekt der Bundesrepublik Deutschland 1994/95.
Neben seinen herausragenden experimentellen Arbeiten war Günter auch an allen Vewaltungsangelegenheiten des Institutes sehr intensiv beteiligt. So war es nur folgerichtig, dass er 1986 zum Akademischen Direktor an der TU Braunschweig befördert wurde. Am 31. Januar 2003 wurde Günter Musmann pensioniert. Über Jahrzehnte hatte er die Geschicke des Institutes maßgeblich mitgeformt, war eine der treibenden Kräfte im Institut und Lehrer und Ratgeber vieler Studierender. Die Freundlichkeit und Leichtigkeit, mit der Günter viele Probleme löste, war vorbildlich und ansteckend. Mit Dr. Günter Musmann ist einer der Pioniere der deutschen Weltraumforschung von uns gegangen.
Karl-Heinz Glaßmeier, November 2020